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Wie weit ist denn der technische Fortschritt schon gediehen, dass die Digitalisierung der Gesundheit oder der Behandlung schon in jede Klinik einziehen könnte?

Vom technischen Standpunkt aus gesehen könnte die Digitalisierung im Gesundheitswesen bereits sehr viel weiter fortgeschritten sein. Sehr viele Prozesse in der Krankenversorgung werden entweder noch in Papierform abgewickelt oder aber existieren in Datensilos innerhalb der Institutionen, die nicht miteinander kommunizieren. Technisch gesehen könnte man die alle wunderbar miteinander verknüpfen, da gibt es keine wirklichen Herausforderungen im Sinne von „das ist technisch nicht umsetzbar und lösbar“. Aber zum Beispiel die Beschreibung einer bestimmten Krankheitsentität muss in einem Kreiskrankenhaus im Norden von Deutschland genauso geschehen wie in einem Universitätsklinikum in anderen Teilen von Deutschland, um eben diese Daten zwischen Patienten und Institutionen vergleichbar und austauschbar zu machen. Und da gibt es in der Tat gewaltige Herausforderungen im Bereich der so genannten Interoperabilität von Daten, die gerade im Gesundheitssystem besonders herausfordernd sind.

Gibt es auch Barrieren in den Köpfen?

Ja, die gibt es. Wir müssen natürlich auch Überzeugungsarbeit leisten, dass dieser Extraaufwand der digitalen Erfassung von Daten und auch der Beschreibung zum Beispiel von Patientenbefunden, Arztbriefen usw. sich lohnt. Wenn man das alles standardisiert, in IT Systemen abbildet, ist das zunächst mal eine Mehrarbeit für den Arzt, die in seinen Routinealltag noch zusätzlich draufkommt. Wir werden hier nur erfolgreich sein, wenn wir nachweisen können, dass dieser Mehraufwand entweder zu einem verbesserten Behandlungserfolg führt für den Patienten und gleichzeitig auch zu einer Verbesserung der Routineprozesse im klinischen Alltag eines Arztes führen wird.

Wie wollen Sie dieses Problem angehen?

Ich glaube, wir müssen in kleinen spezifizierten Projekten exemplarisch zeigen, dass wir in der Tat zu einer Verbesserung der Patientenversorgung beitragen können und gleichzeitig auch dem Arzt helfen können, seine Arbeit noch schlanker und noch effizienter durchzuführen, noch besser zu sein. Wenn wir das an ausgewählten Projekten und Krankheitsentitäten in ausgewählten klinischen Prozessen nachweisen könnten, dann glaube ich, werden wir stückweise erfolgreich diese Digitalisierungsprozesse auch in anderen Bereichen umsetzen und durchsetzen können. 

Ein Projekt haben Sie ja ganz konkret schon im Bereich Krebs mit einigen Universitätskliniken, die sogar gerne mit Ihnen zusammenarbeiten wollen?

Wir haben acht Universitätskliniken, die sich im so genannten HighMed-Verbund dazu verpflichtet haben, ihre Daten von einer technischen Betrachtungsweise aus gesehen interoperabel zu gestalten, so dass Daten zwischen Institutionsgrenzen hinweg ausgetauscht werden können. Dazu gehört die Charité, aber auch das Universitätsklinikum in Heidelberg, Göttingen, Hannover, um nur einige zu nennen. Wir wollen anhand von drei klinischen Fallbeispielen systematisch nachweisen, dass dieser Datenaustausch zu einem Mehrwert in der Versorgung und in der Forschung führt. Und in der Tat ist eines unserer Fallbeispiele aus der Onkologie, wo wir virtuelle molekulare Tumorboards institutionsübergreifend aufbauen wollen, um die Behandlung von Krebspatienten institutionsübergreifend zu standardisieren und zu verbessern. Aber es gehören auch Fallbeispiele dazu wie zum Beispiel ein Infektionsfrühwarnsystem, wo wir sehr viel genauer, früher und präziser vorhersagen wollen, dass wir zum Beispiel einen Ausbruch von multiresistenten Keimen an einem Standort oder standortübergreifend beobachten können.

Die Bundesregierung hat die „Dekade gegen den Krebs“ ausgerufen. Inwieweit kann die Digitalisierung dabei helfen, den Krebs zu besiegen?

Ich glaube, Krebs ist ein perfektes Beispiel dafür, wo die Digitalisierung geradezu nicht wegzudenken ist. Warum? Gerade in der Krebsforschung werden gewaltige Datenmengen generiert, ich nenne das Beispiel der Genomsequenzierung, wo für einen Patienten gewaltige Datenmengen generiert werden und verknüpft werden müssen mit den klinischen Daten aus dem Behandlungskontext. Und natürlich haben wir nicht nur einen Patienten, den wir isoliert betrachten, sondern wir haben hunderte, tausende, zehntausende Patienten mit ähnlichen Tumoren an einer Institution, deutschlandweit, europaweit, weltweit, und diese Daten werden nur rudimentär miteinander verknüpft, geschweige denn, dass sie integriert miteinander analysiert werden. Da gibt es unglaubliche Herausforderungen, aber auch Chancen für gerade Methoden und Technologien des Maschinenlernens, der Künstlichen Intelligenz, wo wir versuchen, voll automatisiert zu lernen, Tumore besser zu charakterisieren und besser vorhersagen zu können, wie wir diese Tumore effizient behandeln können.

Kontakt

Roland Eils
Gründungsdirektor des BIH-Zentrums Digitale Gesundheit
roland.eils@bihealth.de