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Podcast-Folge 22 - Warum ist das neue Coronavirus besonders gefährlich für Herzpatient*innen?
15. Mai 2020. In der COVID19-Pandemie scheinen Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen häufiger vom neuartigen Coronavirus betroffen zu sein und machen oft einen schwereren Verlauf der Krankheit durch. Schon ein erhöhter Blutdruck kann ein Risikofaktor sein. In unserer neuen Folge des BIH Podcasts "Aus Forschung wird Gesundheit" haben wir Professor Ulf Landmesser, den Ärztlichen Leiter des Charité Centrums für Herz-, Kreislauf- und Gefäßmedizin, gefragt: Warum ist das neue Coronavirus besonders gefährlich für Herzpatient*innen?
Interviewpartner: Professor Ulf Landmesser
Ärztlicher Leiter des Charité Centrums für Herz-, Kreislauf- und Gefäßmedizin, Direktor der Medizinischen Klinik für Kardiologie, BIH Professor für Kardiologie, Campus Benjamin Franklin - Charité – Universitätsmedizin Berlin
Podcast-Folge 22 zum Nachlesen
Herzlich willkommen zum BIH-Podcast „Aus Forschung wird Gesundheit“ aus dem Berlin Institute of Health, dem BIH. Wir wollen in diesem Podcast Fragen beantworten rund um das Thema Gesundheit und Gesundheitsforschung. Mein Name ist Stefanie Seltmann.
Heute bin ich zu Gast beim Direktor der Medizinischen Klinik für Kardiologie der Charité, BIH Professor Ulf Landmesser. Genauer gesagt bin ich natürlich im Homeoffice und telefoniere mit Professor Landmesser, der in seinem Büro am Charité Campus Benjamin Franklin in Berlin Steglitz sitzt. Ich möchte gerne von ihm wissen, warum es für Herzpatientinnen und -patienten besonders gefährlich ist, sich mit dem neuen Coronavirus zu infizieren.
Seltmann: Herr Landmesser, viele Herzkrankheiten beginnen mit hohem Blutdruck, und schon Bluthochdruck gilt als Risikofaktor bei einer gleichzeitigen Corona-Infektion, warum?
Landmesser: Ja, der hohe Blutdruck ist in der Tat eine der häufigsten Herz-Kreislauf-Erkrankungen, und man hat bei der Covid-19-Erkrankung die Beobachtung gemacht, dass offensichtlich mehr Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen betroffen sind und dass zum Teil die Krankheitsverläufe gerade bei diesen Patienten ungünstig sind. Deshalb hat man sich die Frage gestellt, inwiefern auch die Medikamente, die man für den erhöhten Blutdruck einnehmen muss, hier ein Problem sein könnten und hat das bereits in sehr vielen Untersuchungen in den letzten Wochen analysiert. Der Stand heute ist, dass wir davon ausgehen, dass die Medikamente, die man für den erhöhten Blutdruck nimmt, sehr wahrscheinlich keinen ungünstigen Einfluss haben auf den Verlauf der COVID-Erkrankung, auch nicht auf das Risiko der COVID-Erkrankung, sondern dass es eher umgekehrt ist: Wenn man kardiovaskuläre Erkrankungen oder Risikofaktoren hat, dass diese für einen ungünstigeren Verlauf mit der COVID-Erkrankung prädisponieren können. Aber die Medikamente selbst sind wahrscheinlich nicht das Problem.
Seltmann: Auf die Medikamente, die man einnimmt zum Blutdruck senken, möchte ich gern gleich zurückkommen, aber nochmal kurz zurück, das Coronavirus ist doch eigentlich dafür bekannt, dass es die Lunge befällt, warum spielen denn dann die Blutgefäße, in denen sich der Blutdruck manifestiert, so eine wichtige Rolle?
Landmesser: Der Hintergrund, warum man sich überhaupt über den Blutdruck und die damit verbundenen Medikamente Gedanken gemacht hat, ist, dass dieser Virus als Eintrittspforte in den Körper den sogenannten ACE-II-Rezeptor benutzt. Und dieser ACE-II-Rezeptor ist Teil des Renin-Angiotensin-Systems, also eines Systems, was für die Behandlung des Blutdrucks oder auch der Herzschwäche eine ganz große Bedeutung hat. Und deshalb hat man sich eben dieser Frage der Rolle des Bluthochdrucks oder auch von Herzerkrankungen bei der COVID-Erkrankung so intensiv gewidmet.
Seltmann: Also dieser Rezeptor, gegen das sich das Virus richtet, der spielt sowohl beim Bluthochdruck als auch beim Viruseintritt eine Rolle?
Landmesser: Ja, genau, das hat man herausgefunden, dass das Virus über diesen ACE-II-Rezeptor in die Zelle eindringt, natürlich zuerst in der Regel im Nasen-Rachen-Bereich. Aber dieser Rezeptor ist eben auch auf anderen Körperzellen vorhanden. Und das bringt uns zu dem Thema, das Sie eben schon angedeutet haben, dass das Virus eben nicht nur die Lunge offensichtlich betrifft, sondern möglicherweise auch Gefäßprobleme verursachen kann. Und ein Problem, was man sehr deutlich gesehen hat in den letzten Wochen, ist, dass die Patienten mit einer COVID-19-Erkrankung ein sehr hohes Risiko haben für Thrombosen oder auch die Lungenembolien, also Gerinnselbildung in den Lungengefäßen zu erleiden, was möglicherweise auch dazu beiträgt, dass die Erkrankung bei einigen Menschen doch sehr gefährlich verlaufen kann.
Seltmann: Das heißt, das Virus löst möglicherweise Herz-Kreislaufbeschwerden sogar erst noch aus?
Landmesser: Ja, es ist sicher ein Problem bei der Erkrankung, dass nicht nur die Lunge sehr stark geschädigt werden kann, sondern auch eben Gefäße. Ob jetzt direkt oder indirekt, kann man im Moment vielleicht noch nicht endgültig beantworten. Aber dass es auf jeden Fall auch zu Gefäß- und auch Herzproblemen bei der Erkrankung kommen kann. Dieser Rezeptor, über den der Virus aufgenommen wird, ist eben auch zum Beispiel auf Gefäßinnenschichtzellen vorhanden, sodass man sich eben auch vorstellen kann, dass dort der Virus direkt Probleme machen kann. Da gibt es erste Fallberichte, die zeigen, dass der Virus in der Tat auch die Gefäßzellen befallen kann und sozusagen dann eine Entzündung auch in den Gefäßen auslösen kann, die dann vielleicht auch zu diesen im schlimmsten Fall Gefäßverschlüssen führen kann. Das ist auch ein Problem, dem wir uns im Moment in der Tat auch in der Forschung sehr intensiv widmen. Und wir sind gerade dabei, ein Studienprogramm zu starten, wo wir genau diese Gefäßprobleme bei der COVID-19-Erkrankung versuchen möchten besser zu vermeiden.
Seltmann: Also das Virus, das heftet sich an Rezeptoren in den Blutgefäßen, und dringt dann in diese Zellen ein, die die Blutgefäße umkleiden, in diese Endothelzellen, vermehrt sich darin und wenn es dann wieder herauswill, dann gehen die Zellen ja vermutlich zugrunde, das heißt, da entstehen richtige Verletzungen in den Blutgefäßen?
Landmesser: Ja, das ist sicher ein Thema, zu dem noch weiter Forschung notwendig ist. Was man zumindest in einigen Fallberichten gesehen hat, ist in der Tat, dass der Virus in diesen Gefäßinnenschichtzellen zu sehen ist. Man weiß auch, dass diese Gefäßzellen den Rezeptor für den Virus exprimieren. Ob das jetzt der direkte Effekt des Virus ist oder ob vielleicht die mit der Erkrankung einhergehende starke Entzündungsreaktion für diese Gefäß-Problematik verantwortlich ist, das kann man, glaube ich, im Moment noch nicht eindeutig beantworten.
Seltmann: Aber das Virus befällt doch zunächst mal oder gelangt in den Körper über die Atemwege, über den Nasenrachenraum, oder direkt in die Lunge, in die Bronchien, wie kommt das denn dann überhaupt ins Blut?
Der primäre Infektionsweg ist sicherlich in den allermeisten Fällen über den Nasen-Rachen-Bereich, wo diese Rezeptoren auch auf bestimmten Epitelzellen exprimiert werden und dann eben auch in den unteren Atemwegen. Und wenn der Virus eben dort die entsprechenden Zellen befällt, kann es sicher im Verlauf auch dazu kommen, dass er eben in das Blut übertreten kann und über das Blut dann auch andere Gefäße im Körper erreichen kann.
Seltmann: Jetzt haben wir eben schon über Medikamente gesprochen und über Rezeptoren, also man hat sich in den letzten Wochen ja zwangsläufig zum Hobbyvirologen entwickelt und weiß, dass das Virus sich an so genannte ACE-Rezeptoren heftet, und die ACE-Rezeptoren spielen auch beim Blutdruck eine Rolle, sind das tatsächlich die genau gleichen Moleküle?
Landmesser: Man muss hier sehr sorgfältig unterscheiden. Der Virus heftet sich an das sogenannte ACE-II an, was man unterscheiden muss von dem ACE-I, was das Ziel sehr vieler Medikamente darstellt. Die sogenannten ACE-Hemmer, das sind Medikamente, die man bei Herzschwäche oder eben auch bei erhöhtem Blutdruck einnimmt, die hemmen das ACE-I und würden nicht direkt das ACE-II beeinflussen. Insofern muss man das noch mal trennen. Also das Ziel für die Medikamente ist das ACE-I, und das Ziel für den Virus ist das ACE-II. Nichtsdestotrotz ist das ACE-II Teil dieses sogenannten Renin-Angiotensin-Systems. Und da gibt es in der Tat jetzt eine ganze Reihe von Untersuchungen. Und auch wir im BIH, an der Charité beschäftigen uns intensiv mit dieser Frage, wie dieser Rezeptor bei den Patienten, die eine COVID-Erkrankung bekommen, reguliert wird und welchen Einfluss dort auch die Medikamente, die auf das Renin-Angiotensin-System wirken, eventuell nehmen können.
Seltmann: Und was genau untersuchen Sie da? Könnte es sein, dass die Medikamente auch auf diesen Virusrezeptor wirken, also auf den ACE Rezeptor Zwei und umgekehrt, dass das Virus möglicherweise sich auch an den Blutdruck-ACE-1-Rezeptor dranheftet?
Landmesser: Also ich glaube, dass das Virus sich an den ACE-I-Rezeptor dran heftet, das ist sehr unwahrscheinlich. Wir untersuchen in der Tat, inwiefern bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder auch Patienten, die eben diese Medikamente, die in dieses ACE-System eingreifen, einnehmen, inwiefern das die Häufigkeit des Rezeptors verändert und ob das einen Einfluss haben könnte auf das Risiko, an dem Virus zu erkranken. Die Fachgesellschaften, muss man ganz klar sagen, empfehlen aktuell, dass diese Medikamente weiter genommen werden sollen. Und es gibt gerade jetzt eine ganze Reihe neuer Untersuchungen aus Italien, aber auch aus anderen Ländern, wo man dieser Frage nachgegangen ist, und die unterstützen im Moment alle die Einschätzung, dass die Medikamente selbst nicht dazu führen, dass man häufiger von der Infektion betroffen ist und auch der Verlauf der Erkrankung sehr wahrscheinlich durch die Medikamente nicht ungünstig beeinflusst wird. Es ist aber in der Medizin so, dass die endgültige Beantwortung dieser Frage immer nur durch eine kontrollierte Studie erfolgen kann. Und genau diese Studien sind jetzt auf den Weg gebracht. Wir haben ein Studienprogramm, das in Deutschland dazu läuft, aber auch in Frankreich läuft ein Studienprogramm, wo man Patienten, die von dieser COVID-Erkrankung betroffen sind, dann die Medikamente weiter nehmen lässt oder bei der anderen Gruppe die Medikamente beendet und dann direkt sehen möchte, was ist eigentlich der Einfluss jetzt auf den Verlauf der Erkrankung.
Seltmann: Was ist denn die Theorie dahinter? Warum vermutet man, dass die Medikamente einen Einfluss auf das Krankheitsgeschehen in Bezug auf COVID haben?
Landmesser: Also die Sorge wäre, dass die Hemmung oder die Beeinflussung des Renin-Angiotensin-Systems dazu führen könnte, dass der ACE-II-Rezeptor, also das Molekül, über welches der Virus in die Zellen aufgenommen wird, hochreguliert, also erhöht. Und das ist eine Sorge, die es dabei gibt. Die andere Beobachtung: Aus Tierversuchen weiß man, dass diese ACE-Hemmer, um die es da hauptsächlich geht, dass die auch möglicherweise bei den Lungenerkrankungen oder auch der Lungenentzündung einen günstigen Effekt haben könnten. Sodass es verschiedene Wege gibt, über die die Medikamente den Verlauf der Viruserkrankung beeinflussen könnten. Und weil man diese ganzen Effekte eben nicht alle klar einordnen kann, macht man tatsächlich jetzt dazu auch Studien.
Seltmann: Jetzt ist es aber doch so, dass diese Patienten auch tatsächlich unter Bluthochdruck leiden und diese Medikamente ja brauchen, kann man die einfach so weglassen oder ersetzt man die dann durch andere Blutdruckmedikamente?
Landmesser: Wir würden also im Moment ganz stark davon abraten, die abzusetzen, weil genau, wie Sie sagen, das Problem, was man damit bewirkt, dass die Herz-Kreislauf-Risikofaktoren oder der erhöhte Blutdruck dann vielleicht nicht mehr gut eingestellt sind, wahrscheinlich wesentlich gravierender ist als das kleine Restrisiko, was mit der Einnahme der Medikamente verbunden sein könnte. Alle Befunde, die wir heute haben, sprechen aber nicht dafür, dass die Medikamente das Risiko der Erkrankung erhöhen und auch nicht den Schweregrad der Erkrankung. Was man aber vielleicht schon sagen muss, ist, dass Patienten, die eben kardiovaskuläre Erkrankungen haben, ganz besonders vorsichtig sein müssen, dass sie nicht mit dem Virus infiziert werden, weil der Verlauf der Erkrankung bei Patienten, die einen erhöhten Blutdruck oder auch eben andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben, offensichtlich ungünstiger ist. Und deshalb soll man die Medikamente weiter nehmen, aber vorsichtig sein, so gut es geht, dass man sich eben nicht mit dem Virus infiziert.
Seltmann: Weil das Virus eben zu zusätzlichen Problemen führt wie eben dieses erhöhte Thrombose-Risiko?
Landmesser: Ganz genau. Und da gibt es eben die Vermutung, dass Patienten, die schon vorgeschädigte Gefäße haben, möglicherweise, wenn der Virus zusätzlich die Gefäße weiter schädigt, vielleicht schwerer betroffen sein könnten. Das ist eine Vermutung, die man im Moment hat, die mit erklären könnte, warum eben Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen besonders schwer betroffen sein können von der COVID-Erkrankung.
Seltmann: Jetzt gibt es ja nicht nur ACE-Hemmer als Blutdruckmedikamente, sondern Bluthochdruckpatienten nehmen zum Beispiel auch Blutverdünner ein, das könnte sich ja vielleicht sogar als ganz günstig erweisen bei einem erhöhten Thrombose-Risiko?
Landmesser: Das ist eine sehr spannende Frage. In der Tat ist ein wichtiges Problem bei den Gefäßen im Rahmen der Viruserkrankung, dass wir eben diese vermehrte Gerinnselbildung haben. Und deshalb wird auch auf die wichtige Bedeutung eben der Thromboseprophylaxe hingewiesen, wenn man eine solche Erkrankung bekommt. Und wir haben ein Studienprogramm jetzt, was wir in Deutschland durchführen, wo wir genau diese Frage beantworten möchten, ob nicht eine Blutverdünnung vor den Gefäßschäden, die mit der Viruserkrankung verbunden sind, schützen könnte. Also das ist eine ganz spannende Frage, ob man eventuell durch eine solche Behandlung vielleicht sogar den Verlauf der Erkrankung günstig beeinflussen kann.
Seltmann: Das könnte dann ja vielleicht auch bei Patienten gelten, die nicht unter Bluthochdruck leiden, sondern die nur unter der erhöhten Thromboseneigung leiden, die das Virus hervorgerufen hat?
Landmesser: Ganz genau. Also wir denken, es gibt Blutmarker, mit denen man bei der Erkrankung erkennen kann, ob es schon zu einer Gerinnungsaktivierung gekommen ist. Und diese Patienten, denken wir, könnten profitieren von einer stärkeren Blutverdünnung. Aber auch das muss man tatsächlich erst in einer Studie testen, weil eine Blutverdünnung eben immer auch mit einem erhöhten Blutungsrisiko einhergeht. Und deshalb möchten wir das eben jetzt sehr schnell und zügig klären, inwiefern das vielleicht ein doch guter Ansatz sein könnte für die Erkrankung.
Seltmann: Herr Landmesser, Sie haben im Fernsehen dazu aufgerufen, doch bei Problemen mit dem Herzen oder Anzeichen eines Herzinfarkts unbedingt in die Klinik zu kommen, weil Sie festgestellt haben, dass sich derzeit weniger Fälle in der Ambulanz bei Ihnen melden als zu Zeiten vor Corona.
Landmesser: Ja, uns hat das in der Tat sehr große Sorgen gemacht, weil wir, was die Anzahl von der Behandlung von Herzinfarkten betrifft, in den letzten Wochen eine starke Abnahme gesehen haben in der Klinik. Und das Gleiche betrifft auch unsere Kollegen aus der Neurologie bei der Behandlung von Schlaganfällen. Auch dort hat man eine deutliche Abnahme von Patienten gesehen, die in die Klinik gekommen sind. Wir haben das jetzt mittlerweile auch ausgewertet, und wir sehen, dass in den letzten Wochen etwa 30 Prozent weniger Patienten mit Herzinfarkt oder auch Schlaganfall in die Klinik gekommen sind. Und das macht uns große Sorge, weil das bedeutet, dass Patienten, die betroffen sind mit einem Herzinfarkt oder Schlaganfall, vielleicht nicht den Notarzt rufen oder Angst haben, in die Klinik zu kommen. Und das ist eine Beobachtung, die nicht nur wir in Berlin, sondern die man eigentlich fast überall in Deutschland, aber auch in Italien und auch in China gemacht hat, wo die Erkrankung eben aufgetreten ist, dass die Menschen einfach Angst hatten, in die Klinik zu kommen. Und wir sind deshalb auch an das Fernsehen gegangen, weil wir eben ganz deutlich machen wollten, dass die Versorgung von Herzinfarkt- oder Schlaganfall-Patienten absolut gesichert ist und dass die Kliniken auch entsprechende Wege etabliert haben, wie die Patienten, die diesbezüglich behandelt werden müssen, eben nicht mit den Patienten mit der COVID-Erkrankung in Verbindung kommen. Das heißt, diese Stationen, wo Patienten mit Herzinfarkt oder Schlaganfall behandelt werden, die behandeln keine Patienten mit der COVID-Erkrankung, sodass wir das ganz bewusst auch getrennt haben und diese Notfallversorgung eben in Deutschland auf jeden Fall sicherstellen können. Und wir sind auf die Behandlung der Notfälle sehr gut vorbereitet, sodass es gar keinen Grund gibt, nicht die Klinik anzufahren.
Seltmann Und jetzt haben Sie schon gesagt, es besteht ein erhöhtes Herz-Kreislaufrisiko während einer COVID-19 Erkrankung, was passiert denn mit einem Patienten, der tatsächlich infiziert ist und dann einen Herzinfarkt erleidet, ist da auch sichergestellt, dass der eine gute Behandlung bekommt?
Landmesser: Ja, auch da sind wir sehr gut vorbereitet bei der Herzinfarktbehandlung. Das wird ja im Herzkatheterlabor durchgeführt. Und wir haben dort entsprechende Schutzausrüstung und Schutzmaßnahmen, die für die Kollegen, die dort arbeiten, vorbereitet worden sind, sodass auch ein Patient mit Covid-Erkrankung da versorgt werden kann. Und wir haben eben auch die notwendige intensivmedizinische Behandlung dann auch für diese Patienten sichergestellt. Aber in einem anderen Bereich als die Patienten, die nicht von der Covid-Erkrankung betroffen sind.
Seltmann: Also um nochmal auf die erste Patientengruppe zurückzukommen, die noch nicht infiziert sind und die zuhause ein Engegefühl in der Brust haben, oder Lähmung auf einer Seite oder Schmerzen im Herzbereich verspüren, die sollen möglichst schnell in die Klinik kommen oder den Rettungswagen rufen?
Landmesser: Genau. Auch dort ist es in der Tat so, dass die Empfehlung ist, wenn man so etwas akut spürt, dass man den Rettungswagen ruft, also die 112. Wir haben auch Patienten gehabt, die dann von den Angehörigen in die Klinik gefahren worden sind. Auch das kann gefährlich sein bei einem akuten Herzinfarkt, weil die Gefährdung in den ersten Stunden vor allem durch das mögliche Auftreten eines sogenannten Kammerflimmerns kommt, also eines Herz-Kreislauf-Stillstands. Wenn so etwas in der Klinik passiert oder auch im Notarztwagen, dann kann das innerhalb von einer Minute in aller Regel problemlos beendet werden. Wenn das aber zu Hause passiert, dann ist mit einem Herz-Kreislauf-Stillstand natürlich die Situation sehr viel ernster und kann eben auch sehr ungünstig ausgehen. Deshalb eben die klare Empfehlung, wenn man solche Beschwerden hat, die auf einen akuten Herzinfarkt oder auch einen Schlaganfall hinweisen, den Notarzt rufen und nicht selber in die Klinik fahren oder auch nicht sich in die Klink bringen lassen. Das ist sicherlich die sicherere und bessere Variante der Versorgung. Und was wir eben auch noch gesehen haben, ist, dass wir zum einen weniger Patienten mit Herzinfarkt in der Klinik hatten, aber dann eben auch Patienten hatten, die sehr spät gekommen sind, wenn man dann schon spätere Komplikationen des Herzinfarkts hat. Und das sind Dinge, die wir in den letzten Jahren sonst eigentlich kaum noch gesehen haben. Auch das war ein Anzeichen dafür, dass doch Patienten, die in die Behandlung sich hätten begeben müssen, zu spät gekommen sind.
Seltmann: Vielen Dank Herr Landmesser für dieses Gespräch und bleiben Sie gesund und viel Erfolg bei Ihrer Forschung!
Landmesser: Frau Seltmann, ganz herzlichen Dank, und bleiben Sie auch gesund, und vielen Dank für das Gespräch.
Und das war der BIH-Podcast „Aus Forschung wird Gesundheit“ aus dem Berlin Institute of Health. BIH Professor Ulf Landmesser erklärte, warum Herzpatienten besonders gefährdet sind, wenn sie sich mit dem neuen Coronavirus infizieren. Falls auch Sie eine Frage zur Gesundheit oder zur Gesundheitsforschung haben, schicken Sie sie gerne an podcast@bihealth.de. Tschüss und bis zum nächsten Mal sagt Stefanie Seltmann.
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