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Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin haben sich mit den Schattenseiten der medikamentösen Therapie von Krebserkrankungen beschäftigt: Welche Auswirkung hat die akute Auslösung eines Zellalterungsprogramms auf Tumorzellen? Und welche Rolle spielt dabei das Stammzellprogramm? Ihre Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Nature* veröffentlicht.

Wenn in den Zellen unseres Körpers bösartige Veränderungen drohen, greifen eingebaute Selbstschutzprogramme ein und verhindern so häufig die Krebsentstehung. Zwei dieser Tumorsuppressor-Mechanismen sind der programmierte Zelltod, Apoptose genannt, und die akute Auslösung eines Zellalterungsprogramms, die sogenannte Seneszenz. Durch die Mechanismen werden die Zellteilung und das Geschwulstwachstum verhindert. Auch bei einer Chemotherapie werden diese Programme aktiviert und vermitteln die Anti-Tumor-Wirkung.

Das Team um Professor Dr. Clemens A. Schmitt, Stellvertretender Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie und Direktor des Molekularen Krebsforschungszentrums der Charité sowie Forscher am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin und dem Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) konnten bereits vor einigen Jahren zeigen, dass gerade bei den häufig Apoptose-defekten Tumorzellen das Anschalten der zellulären Seneszenz ein wichtiger und erwünschter Therapie-Effekt ist, um so die Tumorzellen an weiterem Wachstum zu hindern.

In seiner neuen Studie beobachtete das Forscherteam, dass die wachstumsblockierten Tumorzellen mit dem Eintritt in den Seneszenz-Zustand eine massive epigenetische Reprogrammierung durchlaufen. Dabei kommt es zu einer Neu-Kodierung verschiedener zellulärer Arbeitsprogramme, darunter das Anschalten eines Stammzell-Programms, auch als „Tumor-Stemness“ bezeichnet. Tumor-Stemness umschreibt dabei die besonders bedrohliche Fähigkeit von Tumorzellen, Tumorwachstum anzutreiben oder gar neu zu starten, wie dies beispielsweise bei der Entstehung von Tochtergeschwülsten der Fall ist. Da die Stammzellfunktion zwingend mit Zellteilung gekoppelt ist, haben die Krebsforscherinnen und -forscher untersucht, ob das Abschalten einzelner, für den Seneszenz-Erhalt absolut notwendiger Gene die neu erworbene Stammzellfähigkeit der vormals seneszenten Zellen funktionell sichtbar machen könnte. Tatsächlich verhielten sich die vormals seneszenten Tumorzellen viel aggressiver als dieselben Tumorzellen, die nie in den Seneszenz-Zustand eingetreten waren.

Untersuchungen in In vivo-Tumormodellen bestätigten die Relevanz dieser Zellkulturbefunde. Mit Hilfe einer neuen Einzelzell-Nachverfolgungstechnik gelang es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Weiteren zu zeigen, dass seneszente Tumorzellen selten auch spontan wieder in den Zellteilungszyklus eintreten können. Ein Vergleich von Tumorproben bei Lymphdrüsenkrebs vor Therapiebeginn und später im Erkrankungsrückfall derselben Patientinnen und Patienten legte nahe, dass eben solche vormals seneszenten Zellen nach Chemotherapie zum besonders aggressiven Tumorwachstum im Therapieversagen beitragen.

„Diese Ergebnisse sind klinisch sehr wichtig, da sie uns Einblick in das geschickte Verhalten der Tumorzellen geben, sich gegen eigentlich sehr wirksame Krebsbehandlungen durchzusetzen“, erklärt Professor Schmitt. „Glücklicherweise konnten wir in dieser Forschungsarbeit auch genetische und medikamentöse Strategien vorlegen, die die neu erworbene Tumor-Stemness vormals seneszenter Tumorzellen direkt angreifen und neutralisieren“, ergänzt er. In Folge-Experimenten und einer derzeit geplanten klinischen Studie werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Schmitt, der als Lymphom-Spezialist täglich Patientinnen und Patienten mit Lymphdrüsenkrebs in der Charité behandelt, der Rolle der Seneszenz-assoziierten Stammzell-Reprogrammierung bei Lymphom-Patientinnen und Patienten weiter nachgehen, um einem gezielten Therapie-Ansatz näher zu kommen.

*Maja Milanovic et al (2017): „Senescence-associated reprogramming promotes cancer stemness“. Nature. DOI:10.1038/nature25167.

Clemens Schmitt. Foto: Charité
Therapie-induziert seneszente Lymphomzellen (Seneszenz-markierende Blau-Färbung). Bild: AG Schmitt

Kontakt

Prof. Dr. Clemens Schmitt
Stellvertretender Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie
Campus Virchow-Klinikum
+49 30 450 553 687
clemens.schmitt@charite.de