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Was sind die Symptome von Corona? Wie steckt man sich an? Was kann man bei Symptomen machen? Was passiert mit mir in der Quarantäne? Es gibt wenige Informationen, die auf die Lebensrealität obdachloser Menschen in der Corona-Pandemie eingehen. Das Charité COVID-19 Projekt für und mit obdachlosen Menschen hatte daher das Ziel, mit einem partizipativen Ansatz digitale Informationsangebote zu COVID-19 zu erstellen. Ziel ist die Verbesserung des Zugangs zu Informationen und Vermittlung von Wissen zu COVID-19 mithilfe der Erprobung neuer digitaler Kommunikationswege.

Hierfür fand sich ein interdisziplinäres Team (Medizin, Public Health, Soziale Arbeit, Kommunikationsdesign, Menschen mit gelebter Erfahrung) in enger Zusammenarbeit mit dem Robert Koch-Institut (RKI) und den Notunterkünften der Obdachlosenhilfe zusammen, um adressat:innengerechte Informations- und Aufklärungsmaterialien zu entwickeln. Es wurde entschieden, sowohl Videos als auch Plakate in verschiedenen Sprachen zu erstellen.

Die Videos

Videos sind eine wichtige Ergänzung zu schriftlichen Materialien wie Flyer und Postern. Sie ermöglichen eine direkte Ansprache – auch für Menschen, die nicht alphabetisiert sind. Ein Großteil der COVID-19-Informationen für die Gesamtbevölkerung erfolgte über digitale Kommunikationswege, aber die Lebenssituationen obdachloser Menschen wurden dabei nicht mitbedacht und Menschen auf der Straße bisher nicht direkt angesprochen. Im Projekt wurden zwei Aufklärungsvideos entwickelt: eines mit generellen Informationen zu COVID-19 und eines zur Testung auf COVID-19. Die Protagonist:innen wurden durch bestehende Kontakte zu Einrichtungen und Menschen mit gelebter Erfahrung gewonnen und die Skripte gemeinsam erarbeitet, damit die Sprache adressat:innengerecht und nicht stigmatisierend ist und die Informationen gut verständlich und relevant sind. Viele Menschen mit gelebter Erfahrung waren als Community Partner vor und/oder hinter der Kamera aktiv am Projekt beteiligt oder haben Übersetzungsarbeiten übernommen. Die Videos sind in den Sprachen Deutsch, Englisch, Polnisch, Rumänisch und Russisch verfügbar.

Die Videos sind ein erster Impuls, um obdachlose Menschen im Kontext der Pandemie direkt mit Informationen zu COVID-19 anzusprechen. Sie sollen Informationen zum Virus, den Hygieneregeln, Schnelltests und einer möglichen Quarantäne geben. Gleichzeitig sollen sie einen Anreiz dafür schaffen, dass obdachlose Menschen mit dem Fachpersonal in den Einrichtungen, die sie besuchen, in einen Austausch treten und proaktiv Fragen stellen sowie ihre Sorgen oder Ängste kommunizieren.

Die Plakate

Neben den Videos wurde gemeinsam mit Menschen mit gelebter Erfahrung und verschiedenen sozialen Einrichtungen eine Plakatreihe zum Thema Impfen erstellt. Die Plakate sollen obdachlose Menschen ermutigen, sich vom Personal in vertrauten Einrichtungen beraten und gegen COVID-19 impfen zu lassen. Die Formulierung „Du kannst dich impfen lassen“ soll das grundsätzliche Recht ansprechen, dass man sich auch ohne festen Wohnsitz, ohne Papiere und ohne Krankenversicherung impfen lassen kann (Abb. 1). Zudem gibt es Plakate, die den Aspekt des (Drogen- oder Alkohol-) Konsums thematisieren („Du kannst dich impfen lassen, auch wenn du konsumierst“, Abb. 2). Die Plakatreihe deckt die Sprachen Deutsch, Polnisch, Englisch, Farsi, Russisch, Rumänisch, Bulgarisch, Arabisch und Französisch ab. Sie kann sowohl analog als auch digital verbreitet und genutzt werden.

Erkenntnisse aus der partizipativen Arbeit

Es zeigte sich schnell, dass ein interdisziplinäres Team sowie die partizipative Umsetzung des Projekts den großen Mehrwehrt darstellte. Es wurden kreative Lösungen gefunden, sich auf Augenhöhe begegnet und verständigt, Wissen geteilt und weitergegeben. Neben den konkreten Ergebnissen konnten die Beteiligten im Prozess weitere Erkenntnisse gewinnen:

  • Die partizipative und sensible (diskriminierungskritische) Erstellung sowie die Vielfalt der Materialien wurden von Einrichtungen und obdachlosen Menschen wertgeschätzt.
  • Die Materialien kamen bundesweit in über 150 Einrichtungen in insgesamt 46 Städten zum Einsatz und konnten individuell angepasst werden (z. B. mit einem Datum/Ort für Impfungen).
  • Soziale Einrichtungen und obdachlose Menschen sind nicht ausreichend digitalisiert. Die digitale Spaltung muss überwunden werden, um mehr Zugang zu Informationen zu ermöglichen und struktureller Marginalisierung entgegen zu wirken.
  • Es besteht ein allgemeiner Bedarf an Informationen zu Gesundheitsthemen und progressiver (inklusiver) Gesundheitskommunikation.
  • Ein persönliches Beratungsgespräch ist nicht durch Materialien zu ersetzen.

Die Ergebnisse der Studie und der kollaborativen Entwicklung der Aufklärungsmaterialien wurden auf verschiedenen Kanälen publiziert und gingen auch in RKI-Empfehlungen für Gesundheitsämter und Anbieter der Wohnungslosen- und Obdachlosenhilfe ein. Neben mehreren Kongressbeiträgen und einer wissenschaftlichen Veröffentlichung (1) wurde das Projekt in der Verbandszeitschrift der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. vorgestellt.

Ein weiterer Teil des Projekts beschäftigte sich mit der Implementierung von COVID-19-Tests in Notunterkünften der Obdachlosenhilfe. Ergebnisse einer Pilotstudie, die partizipativ mit Mitarbeitenden der Einrichtungen durchgeführt wurde, sind bereits veröffentlicht (2).

Das Projekt ist Teil des bundesweiten „Netzwerk Universitätsmedizin“ und wurde vom 01.09.2020 bis zum 31.12.2021 durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

Mehr Informationen zur Studie und die mehrsprachigen Aufklärungsvideos und -poster finden sich auf der Projektseite. Dort gibt es unter „Häufig gestellte Fragen zu unseren Videos“ umfangreiche Informationen und Reflexionen zum partizipativen Prozess.

Die Publikation „Participatory development and implementation of inclusive digital health communication on COVID-19 with homeless people“ (1) wurde mit dem QUEST Award für Patient & Stakeholder Engagement ausgezeichnet.

Preisgeld

Das Preisgeld ist angekommen und wurde entsprechend einer Bedarfsliste der Stadtmission verwendet (vom Stethoskop bis hin zum Warzenentferner).

Dr. Andreas Lindner, 24. Januar 2024

Referenzen

  1. Specht, A., Sarma, N., Linzbach, T., Hellmund, T., Hörig, M., Wintel, M., Equihua Martinez, G., Seybold, J. & Lindner, A.K. (2022). Participatory development and implementation of inclusive digital health communication on COVID-19 with homeless people. Frontiers in Public Health, 10, 1042677. doi: 10.3389/fpubh.2022.1042677
  2. Lindner, A.K., Sarma, N., Rust, L.M., Hellmund, T., Krasovski-Nikiforovs, S., Wintel, M., Klaes, S.M., Hoerig, M., Monert, S., Schwarzer, R., Edelmann, A., Equihua Martinez, G., Mockenhaupt, F.P., Kurth, T. & Seybold, J. (2021). Monitoring for COVID-19 by universal testing in a homeless shelter in Germany: a prospective feasibility cohort study. BMC Infectious Diseases, 21(1):1241. doi: 10.1186/s12879-021-06945-4

Kontakt

  • Anabell Specht

    Institut für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit (CVK)

    Charité – Universitätsmedizin Berlin

    Kontaktinformationen
    E-Mail:anabell.specht@charite.de
  • Dr. Andreas Lindner

    Institut für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit (CVK)

    Charité – Universitätsmedizin Berlin

    Kontaktinformationen
    E-Mail:andreas.lindner@charite.de