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Bisher werden Patient:innen überwiegend als passive Empfänger von ihnen zur Verfügung gestellten Therapien, Produkten oder Gesundheitsleistungen betrachtet. Unter dem Mantra „Nothing about us without us“ (Nichts über uns ohne uns) besteht jedoch eine zunehmende Nachfrage von Patient:innen nach Einbeziehung und Repräsentation als Stakeholder bei der Entwicklung von Dienstleistungen, Produkten, Leitlinien und Bildungsressourcen. Darüber hinaus dauert es mitunter viele Jahre, bis neue Therapien oder technische Innovationen Patient*innen erreichen. Bewegungen wie #WeAreNotWaiting hingegen zeigen, wie informierte Patient:innen bereits heute die Medizinproduktindustrie und die regulatorische Landschaft kollaborativ und aktiv umgestalten (wie zum Beispiel im OPEN-Projekt).

Die Arbeitsgruppe um Dr. Katarina Braune kombiniert Expertise aus den Bereichen Medizin, Design Thinking, Data Science, Politik und Patient Advocacy mit gelebter und gelernter Erfahrung mit Typ-1-Diabetes und arbeitet dabei – auch in diesem Projekt – eng mit #dedoc° zusammen, einer patient:innenorientierten Beratung von und für Menschen mit Diabetes.

Das durch einen QUEST Grant für Patient & Stakeholder Engagement geförderte Projekt, das von Juli bis Dezember 2021 lief, ging nun folgenden Fragestellungen nach:

  • Wie genau arbeiten Patient*inneninnovator*innen und was können wir von ihnen lernen?
  • Kann #WeAreNotWaiting Vorbild für die Neugestaltung aller Aspekte des Gesundheitswesens werden? Was wäre, wenn Patient*innen nicht nur ihre medizinischen Geräte, sondern auch ihre Pflege, Forschung, Kommunikation mit und Ausbildung von ärztlichem und weiterem Gesundheitspersonal „hacken“ würden?

Hierfür wurden in diesem Pilotvorhaben zwei Aktivitäten verfolgt:

  • Aufbau eines „Patient Think Tank“ als Ideenfabrik
  • Patient Advocates in der universitären Lehre: Professionelle Kommunikation über und mit Patient:innen

Patient Think Tank

Der Patient Think Tank (Abb. 1) stellt eine Ideenfabrik dar, in der Patient:innen und ihre Angehörigen gemeinsam Konzepte für ihre Versorgung, sie betreffende Forschung und digitale Innovationen und Tools, sowie für die professionelle Ausbildung der nächsten Generation von Ärzt:innen entwickeln und in Zusammenarbeit mit anderen Stakeholdern aus Wissenschaft, Medizin, Politik und Industrie in die Umsetzung bringen.

Zunächst wurde eine Kerngruppe von ca. fünf Patient:innen und Angehörigen als erste Mitglieder des Think Tanks eingeladen. Exemplarisch richtet sich der Patient Think Tank zunächst an Menschen mit Typ-1-Diabetes als Modell für eine chronische, nicht übertragbare und lebenslange Erkrankung Menschen jeden Alters, die einen hohen Grad an Selbstmanagement erfordert. Im späteren Verlauf können jedoch auch weitere Menschen mit anderen chronischen Erkrankungen in den Think Tank eingeladen werden, um voneinander zu lernen und gemeinsame Projekte zu planen und umzusetzen. Somit kann der Think Tank eines Tages Anlaufstelle für Kolleg:innen aus Charité und BIH oder auch für externe Patient- und Stakeholder-Engagement-Projekte werden.

Patient Advocates in der universitären Lehre

Im zweiten Teilprojekt trat der Patient Think Tank erstmals im Rahmen des universitären Unterrichts im Wintersemester 2021/22 in der Lehrveranstaltung „Ethische Grundlagen der medizinischen Entscheidungsfindung in der Kinder- und Jugendmedizin“ in Aktion. Hierbei wurden etablierte Ansätze der Kommunikationstheorie (gewaltfreie Kommunikation, interaktive Sichtweise) mit neuen Aspekten der internationalen Bewegung #LanguageMatters (auf die Sprache kommt es an) verbunden. Mitglieder des Patient Think Tank gestalteten die Lehrveranstaltung und kamen so direkt mit angehenden Mediziner:innen darüber ins Gespräch, wie die Wortwahl in der medizinischen Versorgung die physische und emotionale Gesundheit von Menschen mit chronischen Erkrankungen beeinflussen kann, indem implizit oder explizit z.B. Schuld zugewiesen wird (Abb. 2). Die Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit von Mitgliedern des Patient Think Tanks und Studierenden werden für eine Publikation zum Thema sensible Sprache aufbereitet¹.

Weitere Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit werden im Februar 2022 in einem Workshop präsentiert. Darüber hinaus werden diese für die Planung von Anschlussfinanzierungen genutzt, um den Patient Think Tank zu verstetigen.






¹ Im November 2022 wurde das deutschsprachige Positionspapier zum Thema „Diabetes und Sprache“ veröffentlicht. Informationen zur Veröffentlichung des Papiers gibt es hier, und unter diesem Link kann es heruntergeladen werden.

Kontakt

Dr. med. Katarina Braune

Ärztin, BIH Junior Clinician Scientist, Klinik für Pädiatrie m.S. Endokrinologie und Diabetologie

Charité – Universitätsmedizin Berlin

Kontaktinformationen
Telefon:+49 30 450 616 454
E-Mail:katarina.braune@charite.de