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Ungefähr 8000 verschiedene Erkrankungen beruhen auf einem Fehler in einem einzigen Gen. Der Fehler bewirkt entweder, dass das Gen gar nicht abgelesen wird und das von ihm verschlüsselte Eiweiß nicht produziert wird und somit dem Körper fehlt oder aber, dass das Eiweiß in falscher Form oder Menge hergestellt wird.

Der Traum der Medizin ist es seit langem, diese einzelnen Fehler zielgenau zu korrigieren. Mithilfe einer "Genfähre", einem Vektor, können Wissenschaftler*innen das fehlerhafte Gen durch eine korrekte Version ersetzen. Dabei ist es wichtig, dass die korrekte Version an der richtigen Stelle im Erbgut zu liegen kommt, sonst können teils schwerwiegende Nebenwirkungen auftreten.

Therapeutisches Gen aufspüren

Das Team um Christof von Kalle und Manfred Schmidt entwickelte deshalb mehrere Methoden, mit denen sie das neu eingeführte Gen im Erbgut von gentherapierten Zellen aufspüren können. Eine davon ist die so genannte LAM-PCR: Mit ihr werden die flankierenden Bereiche des therapeutischen Gens vervielfältigt und können anschließend genau analysiert werden. So können die Wissenschaftler feststellen, wie hoch das Risiko eines neu entwickelten Gentherapievektors ist, sich in unmittelbarer Nachbarschaft schlummernder Krebsgene einzunisten, und diese unbeabsichtigterweise anzuschalten.

"Zum ersten Mal kam unsere Methode klinisch als Feuerwehr zum Einsatz, als es leider schwere Probleme bei den ersten Gentherapiestudien gab.", erzählt Christof von Kalle. "In den 1990er Jahren hatten Kinder mit einem schweren Immundefekt eine Gentherapie erhalten, die sie zunächst von ihrer Krankheit befreite. Statt isoliert in einem Krankenzimmer bleiben zu müssen, durften sie wieder mit anderen Kindern spielen und auf dem Spielplatz toben. Doch bei einigen von ihnen traten neben diesem spektakulären Erfolg auch schwere Nebenwirkungen auf: Die therapeutischen Zellen entarteten zu Krebszellen, und die Kinder erkrankten an Leukämie." Der behandelnde Arzt aus Frankreich rief das Team um Christof von Kalle und Manfred Schmidt zu Hilfe, um die gentechnisch veränderten Zellen der Kinder zu untersuchen. Dabei stellte das Team fest, dass die „Genfähre“ das therapeutische Gen genau neben ein Krebsgen eingefügt hatte, das dadurch aktiviert worden war. Die Gentherapie-Studie wurde daraufhin unterbrochen, und neue Genvektoren konnten mit Hilfe dieser Methoden überprüft und verbessert werden.

Veränderte Zellen im Körper verfolgen

"Heute sind wir mit der Gentherapie natürlich wesentlich weiter", berichtet Christof von Kalle. "Neue Vektoren, die "Genfähren", setzen das therapeutische Gen viel gezielter ein. Und die Genschere CrisprCas erlaubt es immer häufiger, nur noch exakt die falsche Stelle innerhalb des Gens herauszuschneiden und durch die richtigen Buchstaben oder Genabschnitte zu ersetzen."

Heute werden Gentherapie-Vektoren häufig zur Behandlung von Krebserkrankungen eingesetzt: Als sogenannte Car-T-Zelltherapie erhalten Krebspatient*innen genetisch veränderte Immunzellen, die Krebszellen aufspüren und vernichten können. Doch auch solche Vektoren und die behandelten Zellen müssen in den verschiedenen Entwicklungsstadien neuer Gentherapien überprüft werden. Christof von Kalle fügt hinzu: "Sogar nach der Verabreichung der Therapie können wir nachverfolgen, ob die Zellen im Körper des Patienten das tun, was sie sollen, ob sie die Krebszellen abtöten, ob sie sich womöglich zu stark vermehren, oder ob sie verschwinden. All das erhöht die Sicherheit und Wirksamkeit dieser Therapien." Bei vielen Gentherapiestudien weltweit kommt das von Christof von Kalle und Manfred Schmidt entwickelte Sicherheitsverfahren zum Einsatz. Dabei kooperiert die von den Wissenschaftlern gemeinsam gegründete Firma genewerk mit internationalen Entwicklern von Gentherapien aus dem öffentlichen und privaten Sektor.

Gentherapie im Fokus am BIH

Professor Christopher Baum, wissenschaftlicher Direktor des BIH und Vorstand des Translationsforschungsbereichs der Charité, beglückwünscht Christof von Kalle zum Outstanding Achievement Award. „Christof von Kalle hat sich als Mediziner und Wissenschaftler stets mit größtem Einsatz und hervorragendem Erfolg der Entwicklung neuer Therapien verpflichtet, die besser als bisherige Verfahren den Patientinnen und Patienten helfen, wieder gesund zu werden. Als heutiger Leiter des Klinischen Studienzentrums von BIH und Charité setzt er sich nicht nur für die Sicherheit innovativer Ansätze der Gentherapie ein, sondern trägt auch maßgeblich zum Erfolg vielfältiger anderer zielgerichteter und personalisierter Behandlungsmethoden bei.“

Traurig stimmt es Christof von Kalle allerdings, dass er den Preis nicht gemeinsam mit seinem langjährigen Kooperationspartner und Freund Dr. Manfred Schmidt entgegennehmen kann, der vor wenigen Monaten viel zu früh verstorben ist. "Ich hätte den Preis gern mit Manfred zusammen erhalten, denn wir haben die Methode gemeinsam entwickelt. Umso mehr freut es mich, dass seine Familie in Edinburgh dabei sein wird. Wir werden den Preis seinem Andenken widmen."

Links

  • Zwei Männer sitzen an einem Schreibtisch und schauen auf einen Comupter-Bildschirm. Ein Mann in einem blauen Kittel zeigt auf den Screen, wo eine medizinische Bildaufnahme zu sehen ist.

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