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Kräker K, O'Driscoll JM, Schütte T, et al. Statins Reverse Postpartum Cardiovascular Dysfunction in a Rat Model of Preeclampsia. Hypertension. 2020;75(1):202-210 doi: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.119.13219

Abstract

Preeclampsia is associated with increased cardiovascular long-term risk; however, the underlying functional and structural mechanisms are unknown. We investigated maternal cardiac alterations after preeclampsia. Female ratsharboring the human angiotensinogen gene [TGR(hAogen)L1623] develop a preeclamptic phenotype with hypertension and albuminuria during pregnancy when mated with male rats bearing the human renin gene [TGR(hRen)L10J] but behave physiologically normal before and after pregnancy. Furthermore, rats were treated with pravastatin. We tested the hypothesis that statins are a potential therapeutic intervention to reduce cardiovascular alterations due to simulated preeclamptic pregnancy. Although hypertension persists for only 8 days in pregnancy, former preeclampsia rats exhibit significant cardiac hypertrophy 28 days after pregnancy observed in both speckle tracking echocardiography and histological staining. In addition, fibrosis and capillary rarefaction was evident. Pravastatin treatment ameliorated the remodeling and improved cardiac output postpartum. Preeclamptic pregnancy induces irreversible structural changes of cardiac hypertrophy and fibrosis, which can be moderated by pravastatin treatment. This pathological cardiac remodeling might be involved in increased cardiovascular risk in later life. (Hypertension. 2020;75:202-210. DOI: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.119.13219.) Online Data Supplement

Interview

Im Januar erhielten Dr. Kristin Kräker und Dr. Nadine Haase die Auszeichnung Paper of the Month über eine Arbeit zur Präeklampsie, die in Hypertension erschienen ist. Beide arbeiten am ECRC, dem Experimental and Clinical Research Center von Charité und MDC. Das BIH hat die Doktorarbeit von Kristin Kräker im Rahmen eines PhD-Stipendiums finanziert. Wir sprachen mit den beiden Autorinnen über ihre Arbeit.

Frau Haase, Frau Kräker, Sie arbeiten über ein Phänomen, das Präeklampsie heißt, worum handelt es sich dabei?

Nadine Haase: Die Präeklampsie ist eine Schwangerschaftserkrankung, bei der nach der 20. Schwangerschaftswoche auf einmal Bluthochdruck bei der Mutter entsteht, der vor der Schwangerschaft nicht existent war. Zusätzlich kommt es zu einer Proteinausscheidung über den Urin, und es sind auch andere Organe beteiligt, zum Beispiel die Leber, aber auch das Gehirn. Darüber hinaus wird das ungeborene Baby nicht mehr ausreichend versorgt, wodurch sein Wachstum und seine Entwicklung gestört sein können. Bisher gibt es keine wirkliche richtige Therapie für die Präeklampsie, alles, was man bisher macht, ist, den Blutdruck der Mutter zu senken, aber das ist manchmal nicht wirklich sehr erfolgreich. Viele Bluthochdruckmedikamente sind für die Schwangerschaft auch nicht geeignet. Das Einzige, was man machen kann, ist, die Geburt des Kindes einzuleiten. Das ist natürlich in der 24. Schwangerschaftswoche schon ein sehr großes Problem, für die Überlebensrate des Babys, ab der 34. Woche ist die Problematik nicht mehr ganz so dramatisch.

Wie häufig ist denn die Präeklampsie?

Nadine Haase: Die Präeklampsie tritt in den westlichen Industrieländern bei zirka drei bis fünf Prozent aller Schwangerschaften auf, und es ist die Schwangerschaftserkrankung mit der höchsten Morbidität und Mortalität für Mutter und Kind. Das heißt, das sind einige zehntausend Frauen jedes Jahr allein in Deutschland.

Weiß man etwas über die Ursachen?

Nadine Haase: Nein, die Ursachen sind bisher nicht bekannt. Es gibt verschiedene Spekulationen, dass die Krankheit einen immunologischen Hintergrund hat, dass die gestörte Plazentation Grund dafür ist oder dass die Mutter schon kardiologisch vorbelastet ist, aber so einen richtigen Beweis gibt es nicht. Man geht davon aus, dass viele Faktoren zusammenspielen. Es ist eine Krankheit vieler Theorien.

Sie arbeiten mit einem Rattenmodell, in dem Sie Präeklampsie auslösen können?

Nadine Haase: Unser Modell beruht auf einer Überaktivierung des Renin-Angiotensin-Systems. Man weiß, dass es in der Präeklampsie beim Menschen auch gestört ist, aber das Modell entspricht nicht zu 100 Prozent der Situation im Menschen.  Allerdings spiegelt sich der Phänotyp wider: Wir haben den hohen Blutdruck, wir haben eine Proteinurie, wir haben eine veränderte Plazentation, und die Nachkommen sind wachstumsretardiert. Das heißt, die Nachkommen sind kleiner, sie werden unterversorgt.

Und jetzt haben Sie mit diesem Modell versucht, sowohl die Schwangerschaft zu retten als auch die Mutter?

Kristin Kräker: Das Thema meiner Doktorarbeit war die Untersuchung des maternalen, kardiovaskulären Phänotyps während und nach einer präeklamptischen Schwangerschaft. Wir sehen, dass bei vielen präeklamptischen Frauen nach der Schwangerschaft die Symptome wieder abklingen. Oftmals werden diese Frauen kardiologisch nicht weiter betreut, aber viele epidemiologische Studien haben belegt, dass das Risiko für spätere Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis zu vierfach erhöht ist – was ungefähr dem Verhältnis eines Rauchers, einer Raucherin entspricht. Somit ist eine pathologische Schwangerschaft kein zu unterschätzender Risikofaktor, welcher 2011 offiziell als erster geschlechtsspezifischer kardiovaskulärer Risikofaktor von der American Heart Association anerkannt wurde. Aus diesen Gründen habe ich mir im Rattenmodell kardiovaskuläre Veränderungen am Ende der Schwangerschaft und postpartum angeschaut.

Und was haben Sie herausgefunden?

Kristin Kräker: Am ECRC arbeiten wir vorrangig translational. Wichtig war zu Beginn des Projektes vergleichende Untersuchungen mit folgenden Fragestellungen anzustellen: Wie verändert sich das Herz in diesem Tiermodell und wie verändern sich die Herzfunktionen bei ehemals präeklamptischen Frauen? Ist dieses Tiermodell geeignet? Mittels sensitiver Speckle Tracking Echokardiographie habe ich die Funktionsänderungen miteinander verglichen, um die Bestätigung zu haben, dass unser Tiermodell vergleichbar ist. Im Folgenden wurden die Veränderungen mittels Genexpressionsanalysen und Immunhistologie im Tiermodell ausführlicher charakterisiert. Ich konnte zeigen, dass die Reduktion der kardialen Funktion mit einer Hypertrophie des linken Ventrikels und zunehmender Fibrose des Herzens einhergeht.

Das haben Sie während der Schwangerschaft und danach angeschaut?

Kristin Kräker: Ich habe mir die funktionalen und strukturellen Veränderungen am Ende der Schwangerschaft und vier Wochen postpartum angeschaut, was ungefähr zwei Jahren im Menschen entspricht. Dabei konnte ich auch Veränderungen mikrovaskulärer Strukturen nachweisen. Es kam postpartum zu einer Reduktion der kleinen Gefäße im Herzen, was natürlich eine interessante Beobachtung ist.

Warum sind die mikrovaskulären Veränderungen so interessant?

Kristin Kräker: Mit konventionellen Methoden sind diese kleinen Mikrogefäße nicht detektierbar, man kann sie nur unzureichend abbilden. Mittels invasiver Angiographie und Kontrastmittelgabe kann man Gefäße zwar darstellen, kommt aber im mikrovaskulären Bereich an seine Grenzen. Nicht-invasiv kann man Korrelationen zu Gefäßen in der Retina, sublingual oder im Nagelbett anstellen. Für das Tiermodell habe ich im Anschluss an meine Doktorarbeit eine Methode etabliert bei der wir Gefäße bis zu einem Durchmesser von 5 µm darstellen und somit die kleinsten vaskulären Veränderungen darstellen können. Wenn wir diese mikrovaskulären Strukturen in den geeigneten translationalen Tiermodellen untersuchen können, ist das ein großer Fortschritt und eine Bereicherung in der vaskulären Forschung.

Wenn man sie bisher gar nicht darstellen kann, wie haben Sie denn herausgefunden, dass die mikrovaskulären Gefäße betroffen sind?

Kristin Kräker: Mittels histologischer Schnitte wurden die Kapillargefäße angefärbt und quantifiziert. Dies ist immer nur eine lokale Beschreibung in einem bestimmten Bereich des Herzens. Aus diesem Grund habe ich in Zusammenarbeit mit unserer Animal Phenotyping Platform eine Methode entwickelt, um global alle Gefäße verschiedener Organe darstellen und Veränderungen genauer beschreiben zu können.

Und was genau ist die Veränderung, die man da sieht?

Kristin Kräker: Es kommt zu einer Reduktion der kleinen Gefäße.

Nadine Haase: Der Hintergrund war, dass wir die Hypothese verfolgen, dass die Frauen vorher schon ein kardiovaskuläres Problem haben. Diese Frauen sind ja scheinbar gesund. Und die Idee war, dass im mikrovaskulären System schon Schädigungen vorhanden sind, die sich im späteren Leben auch in den größeren Gefäßen manifestieren. Das war unsere Hypothese, die wir verfolgt haben. Und dadurch kam es zu diesem Ansatz, dass wir dann angefangen haben, uns Schnitte anzuschauen, dem nachzugehen und Methoden zu entwickeln, wie man diese Problematik untersuchen könnte.

Schwangerschaft ist eine Belastung für das Gefäßsystem?

Kristin Kräker: Der ganze Körper muss sich umstellen, Gefäßwiderstände und Blutzusammensetzung sind verändert. Solch ein sog. Stresstest einer pathologischen Schwangerschaft innerhalb des Gefäßsystems könnte Auslöser für mikrovaskuläre Veränderungen sein. Diese können eine Weile kompensiert werden, weswegen ehemals präeklamptische Frauen nach der Geburt auch scheinbar gesund und unauffällig sind. Nach 10-15 Jahren oder im späteren Alter, wenn zusätzlich die Effekte der Menopause einwirken, kommt es dann zu womöglich zum vermehrten Auftreten kardiovaskulärer Erkrankungen als Spätfolgen der Präeklampsie.

Jetzt haben Sie eine Ursache im Blick, aber Sie haben ja auch eingegriffen…

Kristin Kräker: Wir haben eine mögliche Intervention mit Statinen zur Reduktion der kardialen Veränderungen im Muttertier durchgeführt. Pravastatin wurde dabei täglich über das Trinkwasser verabreicht.

Und wann haben Sie die Behandlung eingesetzt, schon zu Beginn der Schwangerschaft?

Kristin Kräker: Im Tiermodell dauert eine Schwangerschaft 21 Tage, am 15. Tag steigt der Blutdruck und es kommt zur Proteinurie. Zu diesem Zeitpunkt haben wir mit unserer Intervention begonnen.

 Nadine Haase: Also mit Auftreten des Phänotyps.

Konnten Sie denn auch den Blutdruck senken?

Kristin Kräker: Der kardiovaskuläre Phänotyp wurde unabhängig von einer Senkung des Blutdruckes verbessert. Allerdings muss man im Hinterkopf behalten, dass das Tiermodell über ein genetisch verändertes RAAS System verfügt. Aus diesem Grund haben wir nicht erwartet, dass Statine in diesem experimentellen Rahmen den Blutdruck senken werden.

Und die Albumin-Ausscheidungen?

Kristin Kräker: Die behandelte Gruppe zeigte reduzierte Proteinausscheidungen.

Aber die Schädigung von Herz und Gefäßen ist dann offensichtlich nicht nur auf hohen Blutdruck zurückzuführen, sondern das muss irgendetwas anderes sein?

Kristin Kräker: Eine Hypothese ist, dass das vaskuläre System während der Schwangerschaft empfindlicher auf weitere Stimuli, wie eine Erhöhung des Blutdruckes reagiert. Statine spielen eine entscheidende Rolle in der Prävention und Behandlung atherosklerotischer Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Neben der etablierten cholesterinsenkenden Wirkung gibt es eine Vielzahl weiterer Effekte, wie einer Modulation des Immunsystems und von Entzündungsprozessen. Auch diese spielen in dem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Die Einnahme von Statinen sollte während der Schwangerschaft sorgfältig abgewogen werden. In unserem Versuch zeigten sich keine Auswirkungen auf die Nachkommen.

Wie geht es denn jetzt weiter?

Kristin Kräker: Mein nächster Schritt ist die Untersuchung mikrovaskulärer Veränderungen in ehemals präeklamptischen Frauen. In unserer Clinical Research Unit am ECRC ist neben einer umfangreichen metabolischen Phänotypisierung auch eine kardiovaskuläre Charakterisierung möglich. Eine Neuanschaffung ist die optische Kohärenz-Tomographie zur Analyse der Retina. Um eine Verbindung zwischen Veränderungen in retinalen und kardialen Gefäße in ehemals präeklamptischen Frauen ableiten zu können plane ich ebenfalls ein umfangreiches Kardio-MRT mit Prof. Schulz-Menger.

Nadine Haase: Mich beschäftigt weiterhin die Therapie der Präeklampsie, neue Therapien, auch in Zusammenarbeit mit Firmen, um neue Medikamente, neue Ansatzpunkte für die Präeklampsie zu finden. Wir sind wir unter anderem gerade auf der Suche nach einem RAS-Blocker, der nicht fetotoxisch ist, der nicht auf den Fetus übergeht, und somit sicher für den Fetus ist.

Vielen Dank!

Link zur MDC-Pressemitteilung zur Arbeit