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Vion AC, Alt S, Klaus-Bergmann A, Szymborska A, Zheng T, Perovic T, Hammoutene A, Oliveira MB, Bartels-Klein E, Hollfinger I, Rautou PE, Bernabeu MO, Gerhardt H. Primary cilia sensitize endothelial cells to BMP and prevent excessive vascular regression. J Cell Biol. 201706151. DOI: 10.1083/jcb.201706151

Abstract

Blood flow shapes vascular networks by orchestrating endothelial cell behavior and function. How endothelial cells read and interpret flow-derived signals is poorly understood. Here, we show that endothelial cells in the developing mouse retina form and use luminal primary cilia to stabilize vessel connections selectively in parts of the remodeling vascular plexus experiencing low and intermediate shear stress. Inducible genetic deletion of the essential cilia component intraflagellar transport protein 88 (IFT88) in endothelial cells caused premature and random vessel regression without affecting proliferation, cell cycle progression, or apoptosis. IFT88 mutant cells lacking primary cilia displayed reduced polarization against blood flow, selectively at low and intermediate flow levels, and have a stronger migratory behavior. Molecularly, we identify that primary cilia endow endothelial cells with strongly enhanced sensitivity to bone morphogenic protein 9 (BMP9), selectively under low flow. We propose that BMP9 signaling cooperates with the primary cilia at low flow to keep immature vessels open before high shear stress–mediated remodeling.

Interview

Im März wurde der BIH-Professor für Experimentelle Herz-Kreislaufforschung Holger Gerhardt und sein Team mit dem Paper of the Month ausgezeichnet. Wir haben mit ihm über das Paper und seine Forschung gesprochen:

Woran forschen Sie? Was ist der Kern Ihrer Forschung?

Unser "integratives vaskuläres Biologielabor" zielt darauf ab, die grundlegenden Prinzipien und Regulationsmechanismen zu verstehen, die funktionelle Blutgefäßnetzwerke aufbauen und erhalten. Wir konzentrieren uns auf die Bausteine der Blutgefäße, die Endothelzellen, die alle Gefäße in unserem Körper bilden und formen, und fragen, wie diese entstehen, spezifische Funktionen erwerben und ihr Verhalten so koordinieren, dass jedes Organ das optimale Gefässnetz erhält, um die erforderliche Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen zu unterstützen. Unsere Arbeit wird durch die Tatsache motiviert, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen der Hauptgrund für vorzeitige Sterblichkeit und verminderte Lebensqualität beim Menschen sind. Mit dem Wissen, wie endotheliale Zellen die Netzwerke der Blutgefäße formen und anpassen bzw. wann, wo und wie diese Prozesse bei fortschreitender Krankheit versagen, möchten wir Möglichkeiten zur Prävention und neuartige Therapien bei Herzkreislauferkrankungen entwickeln.

Was ist die zentrale Kernaussage Ihrer Publikation und wodurch unterscheidet sich Ihre Studie von den Arbeiten anderer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in diesem Feld?

Der zentrale Inhalt dieses Manuskripts besteht in der Entdeckung eines neuen Mechanismus zur Stabilisierung der Blutgefäße während der Entwicklung. Die primären Zilien sind evolutionär flexible und manchmal freibewegliche Anhangsgebilde von fast allen Zellen in unserem Körper, die chemische und mechanische Signale verarbeiten können. In unserer Forschungsarbeit haben wir die Verbreitung und Funktion dieser Zilien bei endothelialen Zellen während der Entwicklung der Netzhautgefäße bei Mäusen untersucht. Durch eine Kombination aus neuartigen Bildgebungsverfahren, genetischer Manipulation und Computersimulationen des Blutkreislaufs und der Kräfte, die dieser auf die endothelialen Zellen ausübt, konnten wir feststellen, dass diese Zilien die Regression von Gefäßen verhindern, die einen geringeren Blutstrom erhalten. Frühere Studien haben gezeigt, dass endotheliale Zellen bei Fischen besonders bei einer geringen Durchblutung vorhanden sind und dass diese als Sensoren für die Durchblutung funktionieren und zu Calcium-Signalen bei endothelialen Zellen führen. Unsere Forschungen haben ergeben, dass endotheliale Zellen, die über Zilien verfügen, deutlich sensibler auf einen Stabilisator im Blutkreislauf reagieren und dadurch eine vorzeitige und weitgreifende Gefäßregression verhindern. Da die Gefäßregression eine häufige Komplikation bei Bluthochdruck und verschiedenen Gefäßerkrankungen wie vaskulärer Demenz ist, hoffen wir, dass unsere Entdeckungen Wege zum Verständnis von Mechanismen und potentiellen Behandlungen dieser Gefäßkomplikationen aufzuzeigen können.

Mit welchen Kooperationspartnern ist die Publikation entstanden? Wer war maßgeblich mit daran beteiligt?

Diese Publikation geht aus den  Ideen unseres Integrativen Labors für vaskuläre Biologie hervor und wurde von der ersten und verantwortlichen Autorin Dr. Anne-Clemence Vion maßgeblich unterstützt. Dabei kam es zu einer Kooperation zwischen verschiedenen Mitgliedern unseres Labors am MDC, einer externen Kooperation mit Miguel Bernabeu von der Edinburgh University für Strömungmodelle sowie mit dem Team von Pierre-Emmanuel Ratou, Inserm, Paris zur Analyse einer der mutanten Mauslinien, die nicht über endotheliale Zilien verfügte.

Welche nächsten Schritte sind für das Projekt geplant und was sind mögliche Implikationen Ihrer Ergebnisse für Patientinnen und Patienten?

Da eine Gefäßregression Bluthochdruck fördern oder verschlimmern und verschiedene Gefäßerkrankungen verursachen kann, werden wir sowohl die pathophysiologischen Auswirkungen des Verlusts der Zilien, als auch die detaillierten molekularen Mechanismen, die an der Gefäßstabilisierung beteiligt sind, weiterhin erforschen. Es ist möglich, dass Schäden oder ein Verlust der Zilien vor dem Gefäßverlust bei älteren Patientinnen und Patienten auftreten. Daher ist es unser Ziel die Entwicklung von Methoden zur Untersuchung dieser Hypothese und die Erforschung von Möglichkeiten, die Funktion der Zilien bei Erwachsenen aufrechtzuerhalten.