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Die Immuntherapie mit T-Zellen weckt bei an Krebs Erkrankten große Hoffnungen. Beim Blutkrebs gibt es erste Erfolge, doch solide Tumoren stellen Forschende vor große Probleme. Eine wichtige Rolle bei der Therapie hat der Botenstoff Interferon-Gamma, den die T-Zellen abgeben. Er schneidet dem Krebs die Blutversorgung ab, wie eine Studie im Fachjournal Nature zeigt. Das Immunsystem ist die mächtigste Waffe des Körpers gegen Krankheiten. Wie wäre es, wenn man sie gegen den Krebs einsetzen könnte? Forscherinnen und Forscher versuchen das seit langem und nutzen dafür etwa T-Zellen, einen speziellen Typ von Immunzellen. Wie ein mobiles Einsatzkommando patrouillieren sie nach einem Training durch den Körper, erkennen Krebszellen und töten sie ab. In ersten klinischen Versuchen ist diese Strategie bereits relativ erfolgreich – jedoch meist nur gegen Krebserkrankungen ohne Geschwulste, etwa Blutkrebs.

Bei Blutkrebs erfolgreich, bei soliden Tumoren weniger

Große, solide Tumoren stellen T-Zellen dagegen mitunter vor große Probleme. Anders als im Blut schwimmende Krebszellen können sie kompakte Geschwulste schlecht angreifen. Der Tumor schwächt die Angreifer mit hemmenden Signalen. Die Wissenschaftler um Dr. Thomas Kammertöns, Prof. Thomas Blankenstein, Prof. Hans Schreiber und Christian Friese suchen nun zusammen mit ihrem Forschungsteam an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, dem Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC), dem Berlin Institute of Health (BIH) und der Einstein-Stiftung nach Auswegen. Sie untersuchten in einer Studie im Fachjournal Nature, wie die Botenstoffe von T-Zellen die direkte Umgebung des Tumors beeinflussen. Dazu zählen etwa das Bindegewebe oder die Adern, die den Tumor versorgen. T-Zellen geben neben dem Tumor-Nekrose-Faktor das Molekül Interferon-Gamma (IFN-γ) ab, über dessen genaue Wirkungsweise bisher wenig bekannt war. „Wir wussten, dass IFN-γ maßgeblich über die Tumormikroumgebung gegen den Krebs wirkt,“ sagt Kammertöns. „Wir wollten nun herausfinden, welche Zellen genau das Ziel der Botenmoleküle sind.“

Blutgefäße ziehen sich zurück

Die Forscherinnen und Forscher züchteten genetisch veränderte Mäuse, die die Krebserkrankung nachbildeten. Darunter waren Tiere, bei denen nur die Zellen der Blutgefäße für das Botenmolekül empfänglich waren. In diesen Mäusen drängte das IFN-γ die Adern aus den Tumoren zurück. Die Versorgung mit Sauerstoff und Nahrung brach zusammen und die Geschwulste starben ab. Diesen Prozess konnte das Forschungsteam mikroskopisch an lebenden Mäusen detailliert beobachten. Doch nur die Zellen der Blutgefäße reagierten auf den Botenstoff. Als die Forscher den Wirkstoff gezielt auf andere Zelltypen richteten, wuchsen die Tumoren unverändert weiter. Diese Befunde erklären die bereits bekannte Kraft des Moleküls. „IFN-γ ist eine der wichtigsten Waffen, die den T-Zellen zur Verfügung stehen“, sagt Thomas Kammertöns. Studienleiter Thomas Blankenstein sagt: „Zusammen mit dem Tumor-Nekrose-Faktor bildet IFN-γ ein starkes Team. TNF bringt die Tumorgefäße zum Platzen und öffnet dadurch das Gewebe. IFN-γ schneidet die Blutversorgung ab und hält den Tumor längerfristig in Schach.“

Die Therapie optimieren

Die Forscher gewannen so Anhaltspunkte für eine verbesserte T-Zell-Therapie gegen solide Krebstumoren. Thomas Blankenstein kommentiert: „Wir wollen genau verstehen, wie T-Zellen Tumoren angreifen. Die Zerstörung der Infrastruktur eines Tumors ist vermutlich wirkungsvoller als das Abtöten jeder einzelnen Krebszelle.“ „Unsere Erkenntnisse haben eine Bedeutung über die Tumortherapie hinaus“, sagt Thomas Kammertöns. „Interessanterweise ähnelt der Mechanismus, wie IFN-γ solide Tumoren eliminiert, der physiologischen Rückbildung von Gefäßen während der Entwicklung. Er stört die schnelle Wundheilung. Möglicherweise beeinflusst IFN-γ auch die Bildung von neuen Adern nach Schlaganfällen oder Herzinfarkten. Daher würden wir gern herausfinden, welche molekularen Abläufe dahinterstecken.“
Thomas Kammertoens et al. (2017): „Tumour ischaemia by interferon-γ resembles physiological blood vessel regression.“Nature. doi:10.1038/nature22311

Medienkontakt

Alexandra Hensel
Berlin Institute of Health
Leiterin Kommunikation & Marketing
alexandra.hensel@bihealth.de Vera Glaßer
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft
Leiterin Abteilung Kommunikation (kommissarisch) 
030 9406-2120
vera.glasser@mdc-berlin.de Jana Schlütter
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft
Redakteurin, Abteilung Kommunikation
030 9406-2121
jana.schluetter@mdc-berlin.de

Wissenschaftlicher Kontakt

Dr. Thomas Kammertöns
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Wissenschaftler, AG Thomas Blankenstein
thomas.kammertoens@charite.de

Bild

Tumorgewebe unter dem Mikroskop, unter dem Einfluss von TNF (links) und IFN-γ (rechts). Blutzellen erscheinen in pink. TNF lässt die Blutgefäße zerbersten und setzt eine große Zahl an Blutzellen frei. Bei IFN-γ dagegen ziehen sich die Gefäße zurück. Bild: Christian Friese / MDC