Patient*innen mit Knochenbrüchen haben ein Risiko von zehn bis 15 Prozent, dass die Fraktur trotz modernster chirurgischer Versorgung nicht adäquat heilt. Paradoxerweise ist bei Patient*innen mit einem begleitenden Schädel-Hirn-Trauma die Knochenheilung deutlich verbessert. Der Grund dafür war bisher weitgehend unbekannt. Ein Verständnis dieses Phänomens bietet die Möglichkeit, die zugrundeliegenden Mechanismen therapeutisch zu nutzen um die Knochenheilung bei Pseudarthrosen zu verbessern. In den vergangenen acht Jahren arbeiteten Forschende aus der Unfallchirurgie des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie der Charité - Universitätsmedizin Berlin, des Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf und des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) intensiv zusammen und kamen zu dem Ergebnis, dass dieses Phänomen auf eine vermehrte Aktivierung von Rezeptoren des sympathischen Nervensystems, den Beta-adrenergen Rezeptoren in der Knochenhaut, zurückzuführen ist. Dadurch wird der Knochenbruch während der Heilung durch eine verstärkte Gefäßneubildung besser durchblutet und der Auf- und Umbau von Knochengewebe im Frakturspalt beschleunigt.
Am BIH waren mehrere Gruppen beteiligt, u.a. mit einer Förderung durch das Clinician Scientist Programm und das Junior Clinician Scientist Programm sowie unter Mitarbeit des Julius Wolff Instituts (JWI), des BCRT und der BIH Core Unit Bioinformatics. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler*innen aus der Unfallchirurgie jetzt in der Fachzeitschrift Science Translational Medicine veröffentlicht. Die erhobenen experimentellen und klinischen Daten weisen nicht nur darauf hin, dass Patient*innen unter Betablockertherapie eine gestörte Frakturheilung aufweisen können. Sie zeigen auch, dass die Anwendung von Beta-adrenergen Stimulanzien, wie sie seit langem zur Behandlung von Asthma oder COPD eingesetzt werden, für die lokale Therapie der gestörten Knochenheilung geeignet sein könnte.
Literatur: Jahn, Knapstein, Otto, Köhli et al. Increased β2-adrenergic signaling promotes fracture healing through callus neovascularization in mice. Science Translational Medicine, 2024. DOI: 10.1126/scitranslmed.adk912