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Professor Roland Eils, Leiter des Digital Health Center am Berlin Institute of Health in der Charité (BIH), sieht einen möglichen Grund hierfür in der Art und Weise, wie das Virus die Zellen im Atemtrakt befällt: „Das Virus benötigt mehrere Faktoren, um in die Zellen zu gelangen: Es bindet an den ACE-2-Rezeptor, der insbesondere auf den Zellen im oberen Atemtrakt vorkommt, also im Rachen und in der Nasenschleimhaut. Auf Zellen in der Lunge ist der ACE-2-Rezeptor deutlich seltener. Die Infektion der Zellen hängt aber auch von Kofaktoren ab, wie zum Beispiel der Protease TMPRSS2. TMPRSS2 ist im Gegensatz zum ACE-2-Rezeptor stärker in den Lungenzellen als in Zellen des oberen Atemweges vorhanden.“

Roland Eils weiter: „Man könnte sich nun vorstellen, dass sich die Omicron-Variante des Virus durch Mutationen im Spike-Protein optimiert hat auf eine starke Bindung an den ACE-2-Rezeptor. Damit verbreitet sie sich wesentlich besser im oberen Atemwegstrakt und ist daher auch weitaus infektiöser im Vergleich zu früheren Varianten. Gleichzeitig könnte es sein, dass das Virus damit seine Fähigkeit verloren hat, den Kofaktor TMPRSS2 zu nutzen. Damit hätte die Omikron Variante Schwierigkeiten, Lungenzellen zu infizieren, die nur wenige ACE-2-Rezeptoren aufweisen und daher kritisch vom Kofaktor TMPRSS2 abhängig sind.“

Diese Hypothese wird gestützt von sechs unabhängigen Studien, die in verschiedenen Modellsystemen durchgeführt wurden und übereinstimmend zeigen, dass die Omikron-Variante effizient Zellen des oberen Atemwegtrakts, nicht jedoch Zellen in der Lunge infiziert. Dies wiederum würde erklären, warum nur wenige Patient*innen, die sich mit der Omikron-Variante infizieren, schwere Lungenerkrankungen ausbilden.

Roland Eils betont: „Auch wenn dies möglicherweise eine positive Nachricht ist, kann leider keine Entwarnung gegeben werden. Denn angesichts der hohen Fallzahlen in der derzeitigen „Omikron-Welle“ wird auch ein sehr viel kleinerer Anteil von schwer Erkrankten immer noch eine hohe Belastung für viele Menschen und das Gesundheitssystem insgesamt darstellen.“

Weitere Informationen:

Aktueller Artikel in der New York Times zur Omikron-Variante:

https://www.nytimes.com/2021/12/31/health/covid-omicron-lung-cells.html

Veröffentlichung aus der Gruppe um Roland Eils zur Frage, welche Zelltypen das SARS-CoV-2 Virus infiziert:

Soeren Lukassen, Robert Lorenz Chua, Timo Trefzer, Nicolas C. Kahn, Marc A. Schneider, Thomas Muley, Hauke Winter, Michael Meister, Carmen Veith, Agnes W. Boots, Bianca P. Hennig, Michael Kreuter, Christian Conrad & Roland Eils: SARS‐CoV‐2 receptor ACE2 and TMPRSS2 are primarily expressed in bronchial transient secretory cells; EMBO Journal doi:10.15252/embj.20105114

Pressemitteilung hierzu: https://www.bihealth.org/de/aktuell/welche-zellen-das-neuartige-coronavirus-befaellt

Veröffentlichung zur Anfälligkeit verschiedener Zelltypen im Atemwegstrakt gegenüber einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus und zur Rolle des Immunsystems bei COVID-19:

Robert Lorenz Chua, Soeren Lukassen, Saskia Trump, Bianca P. Hennig, Daniel Wendisch, Fabian Pott, Olivia Debnath, Loreen Thürmann , Florian Kurth , Maria Theresa Völker, Julia Kazmierski, Bernd Timmermann, Sven Twardziok, Stefan Schneider, Felix Machleidt, Holger Müller-Redetzky, Melanie Maier, Alexander Krannich, Sein Schmidt, Felix Balzer, Johannes Liebig, Jennifer Loske, Norbert Suttorp, Jürgen Eils, Naveed Ishaque, Uwe Gerd Liebert, Christof von Kalle, Andreas Hocke, Martin Witzenrath, Christine Goffinet, Christian Drosten, Sven Laudi, Irina Lehmann, Christian Conrad, Leif-Erik Sander, & Roland Eils: COVID-19 severity correlates with airway epithelium–immune cell interactions identified by single-cell analysis; Nature Biotechnology https://doi.org/ 10.1038/s41587-020-0602-4

Pressemitteilung hierzu: https://www.bihealth.org/de/aktuell/die-gefaehrliche-doppelrolle-des-immunsystems-bei-covid-19