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Interview mit Michaela Golić

Im April erhielten Clinician Scientist Michaela Golić und Ralf Dechend vom TRG Embryonale Programmierung von Herz- und Stoffwechsel-Krankheiten die Auszeichnung Paper of the Month.

Woran forschen Sie? Was ist der Kern Ihrer Forschung? Was motiviert Sie bei ihrer Forschung?

Wir forschen auf dem Gebiet der fetalen Programmierung, worunter man versteht, dass gewisse Umweltfaktoren während der frühen Entwicklung und insbesondere während der Schwangerschaft einen langfristigen Einfluss auf die Gesundheit haben. Dieses Konzept war bereits vor mehreren Jahrzehnten an der Charité mitbegründet worden und hat sich seitdem zu einem bekannten, populären Forschungsgebiet entwickelt.

Der mütterliche Organismus und seine Stoffwechsellage bilden das Milieu, in dem der Fetus in der Gebärmutter heranwächst. Somit sind mütterliche Krankheiten wie beispielsweise ein Diabetes mellitus, im Rahmen dessen die Schwangere erhöhte Blutzuckerwerte hat, auch relevant für den Fetus. Wir untersuchen im Speziellen welchen Einfluss ein mütterlicher Diabetes während der Schwangerschaft auf die Nachkommen hat.

Die fetale Programmierung scheint sich in Form von epigenetischen Modifikationen zu manifestieren, welche die Aktivität von Genen beeinflussen ohne die Gene selbst zu verändern. Diese Interaktion von Umweltfaktoren und Genen und ihre Vererbung ist äußerst spannend und ihre Erforschung treibt uns, genauso wie schon viele Forschungsgenerationen vor uns, an – vermutlich weil solche evolutionären Erkenntnisse auch wichtig für die Identität von uns Menschen sind.

Was ist die zentrale Botschaft Ihrer Publikation? Wodurch unterscheidet sich Ihre Studie von den Arbeiten anderer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in diesem Feld?

Wir konnten im Tiermodell zeigen, dass ein mütterlicher Diabetes während der Schwangerschaft die Genexpression eines wichtigen Regulators im Cholesterinstoffwechsel vermindert und dass diese Veränderung von einer epigenetischen Modifikation begleitet wird. Konkret zeigten wir, dass der Transkriptionsfaktor Srebf2 (sterol regulatory element binding transcription factor 2) in den Feten diabetischer Mütter vermindert transkribiert ist und dies mit einer CpG-Hypermethylierung des Promoters von Srebf2 assoziiert ist im Vergleich zu Feten gesunder Mütter. Gleichzeitig weisen die Feten diabetischer Mütter ein verändertes Körpergewicht auf. Somit passen unsere Ergebnisse sehr gut in das Konzept der fetalen Programmierung, das vor allem auf epidemiologischer Ebene sehr gut beschrieben ist. Mit unseren Ergebnissen präsentieren wir nun auf molekularer Ebene einen konkreten Kandidaten, der durch epigenetische Veränderungen auf das intrauterine Milieu reagiert und der somit Krankheiten im späteren Leben vermitteln könnte.

Mit welchen Kooperationspartnern ist die Publikation entstanden? Wer war maßgeblich mit daran beteiligt?

Ein Großteil der Publikation entstand durch Arbeiten am Experimental and Clinical Research Center (ECRC), einer gemeinsamen Institution von Charité – Universitätsmedizin Berlin und Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC), wobei zahlreiche Wissenschaftler mit dem Berlin Institute of Health (BIH) und/oder dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung e.V. (DZHK) affiliiert sind. Neben Kooperationspartnern an diesen Institutionen haben wir mit weiteren Kooperationspartner im In- und Ausland zusammengearbeitet. Mit Prof. Dr. Sicco Scherjon, Dr. Torsten Plösch und Violeta Stojanovska (Universität Groningen in den Niederlanden) arbeiteten wir bezüglich der epigenetischen Analysen zusammen. Mit Frau Prof. Ursula Felderhoff-Müser und Herrn Prof. Ivo Bendix (Universitätsklinikum Essen) kooperierten wir bezüglich der Untersuchungen der fetalen Gehirne.

Welche nächsten Schritte sind für das Projekt geplant und was sind mögliche Implikationen Ihrer Ergebnisse für den Patienten?

Es ist ganz wichtig, dass wir nun weiter untersuchen, ob die Veränderungen, die wir bei den Feten diabetischer Mütter gesehen haben, auch existieren, wenn die Nachkommen erwachsen sind. Diese Untersuchungen laufen gerade. Danach müsste untersucht werden, ob diese Ergebnisse auch beim Menschen vorliegen.

Ein Ziel der Forschung im Bereich der fetalen Programmierung liegt im Erkennen ungünstiger Faktoren für die spätere Gesundheit. Ein großes Ziel ist es durch Erkenntnisse und Aufklärung zu gesundem Lebensstil präventiv dazu beizutragen, dass ungünstige fetale Programmierung gar nicht erst zum Tragen kommt. Sollte sie vorliegen, wäre die Entwicklung von Medikamenten, die an epigenetischen Veränderungen eingreifen, als auch Gentherapien, die ungünstig programmierte Gene ersetzen, als große Vision denkbar, wofür es allerdings aktuell noch keine konkreten Forschungsansätze gibt.