Das Risiko für Typ-2-Diabetes steigt mit dem Alter an, aber auch mit zunehmendem Übergewicht, zu wenig Bewegung oder aufgrund einer genetischen Veranlagung. Unbehandelt ruft die Stoffwechselerkrankung Probleme in Nerven und Blutgefäßen hervor, was unter anderem zu Komplikationen im Auge oder Fuß führen kann, und das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall erhöht.
Wichtigstes Molekül auf dem Weg zum Diabetes ist das Insulin. Menschen mit Typ-2-Diabetes können ihren Blutzuckerspiegel nicht korrekt einstellen. Das liegt entweder daran, dass ihre Bauchspeicheldrüse bei steigendem Blutzucker nicht ausreichend Insulin produziert, oder weil ihre Zellen weniger stark auf Insulin reagieren, in diesem Fall spricht man von Insulinresistenz.
Insulin nach Mahlzeit wirkt auf Muskeln und Fettgewebe
„Die meisten Studien zur Insulinresistenz haben nüchterne Probanden einige Stunden nach der letzten Mahlzeit untersucht“, sagt die Leiterin der vorliegenden Arbeit Professorin Claudia Langenberg, die am BIH die AG Computational Medicine leitet und in London, UK, an der Queen Mary University Direktorin des neugegründeten Instituts für Präzisionsmedizin ist. „In dieser Zeit wirkt Insulin vor allem auf die Leber. Aber die meiste Zeit unseres Lebens sind wir nicht nüchtern, sondern befinden uns mehr oder weniger kurz nach einer Mahlzeit. Und da wirkt Insulin auf Muskeln und Fettgewebe.“ Ausgerechnet hierüber ist wenig bekannt, und gleichzeitig wird ausgerechnet hier die Ursache für die Insulinresistenz mit folgendem Typ 2 Diabetes vermutet.
Professor Sir Stephen O´Rahilly, Co-Direktor des Wellcome-MRC-Instituts für Stoffwechselwissenschaften an der Universität von Cambridge und ebenfalls an der Studie beteiligt, erklärt: „Wir wissen, dass es Menschen mit einer seltenen angeborenen Krankheit gibt, bei denen Insulin im nüchternen Zustand auf Leberzellen vollkommen normal funktioniert, nicht aber nach einer Mahlzeit, wenn es auf Muskel- und Fettgewebe agiert. Was wir nicht wussten war, ob es dieses Problem auch in der breiteren Bevölkerung gibt und ob es mit der Entwicklung von Typ 2 Diabetes zusammenhängt.“
Genanalyse bei 55.000 Probanden aus 28 Studien
Um hier Klarheit zu erhalten, untersuchte das internationale Team die genetischen Daten aus 28 Studien mit insgesamt 55.000 Teilnehmer*innen. Sie suchten nach genetischen Varianten, die die Insulinspiegel zwei Stunden nach einem zuckerhaltigen Getränk beeinflussen.
Dabei entdeckten die Wissenschaftler*innen zehn Regionen im Genom, die mit Insulinresistenz nach Zuckergetränk zusammenhingen. Acht dieser Regionen waren den Forscher*innen bereits in früheren Studien aufgefallen: Sie hingen mit einem höheren Risiko für Typ 2 Diabetes zusammen.
Glucosetransporter bringt Blutzucker in Zellen
Eine dieser Regionen trat in einem Gen namens GLUT4 auf: Dabei handelt es sich um das Gen für ein Transporteiweiß in der Zellmembran von Fett- und Muskelzellen, das Blutzucker – Glucose – in die Zellen hineintransportiert. Die auffällige Variante hatte zur Folge, das GLUT4 in Muskelzellen weniger aktiv war.
In weiteren Experimenten untersuchten die Wissenschaftler*innen Fettzellen von Mäusen. Dort schalteten sie einzelne Gene aus den zehn gefundenen Regionen aus und beobachteten die Auswirkungen. „Wir haben 14 verschiedene Gene gefunden, die alle beim Glucosetransport eine Rolle spielen“, berichtet Claudia Langenberg. „Sie beeinflussen die Menge des Glucosetransporters GLUT4 auf der Oberfläche der Zellen. Je weniger GLUT4 auf der Zelloberfläche vorhanden ist, desto schlechter können die Zellen Glucose aus dem Blut aufnehmen.“
Zielgenaues Eingreifen möglich?
Claudia Langenberg hofft, dass diese Entdeckung auch zu neuen Möglichkeiten führen wird, dem Typ 2 Diabetes vorzubeugen. „Unsere Arbeit zeigt, wie die Kombination von dynamischen metabolischen Tests in sehr vielen Probanden, gemeinsam mit genetischen Informationen, Erkenntnisse zutage fördern, die für die Medizin von Bedeutung sind. Wir verstehen jetzt besser, wie der Blutzuckerspiegel nach einer Mahlzeit reguliert wird, und das eröffnet die Möglichkeit, hier zielgenau einzugreifen.“
Der Wellcome Trust, das Medical Research Council und das National Institute for Health and Care Research haben die Forschungsarbeiten unterstützt.