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Während der Embryonalentwicklung entwickeln sich die Bauchspeicheldrüse, die Gallenblase und die Leber aus einem gemeinsamen Pool von Vorläuferzellen. Der ehemalige BIH-Translational PhD-Student David Willnow aus der Forschungsgruppe von Prof. Francesca Spagnoli und Kolleg*innen zeigen, dass die Entwicklung dieser Organe nicht so getrennt verläuft, wie bisher angenommen. Sie identifizierten eine Subpopulation von Vorläuferzellen der Bauchspeicheldrüse, die zum schnellen Wachstum der Leber beitragen. Sie vermuten, dass diese Subpopulation, die an der Grenze zwischen der pankreatisch-biliären Knospe und der Leber angesiedelt ist, durch Signale aus dem angrenzenden Darm in einem multipotenten Zustand gehalten wird. Insgesamt erweitert diese Arbeit in großem Maße das Verständnis der zellulären Prozesse, die die frühe Organogenese steuern.

Seit vielen Jahren beschäftigt sich das Labor von Prof. Spagnoli mit der Erforschung von Mechanismen der Entstehung der beiden Organe Leber und Bauchspeicheldrüse. Dabei interessiert sie vor allem: Welche gemeinsamen Vorläuferzellen haben die Leber und die Bauchspeicheldrüse, wie unterscheiden sich diese und wie nehmen sie eine spezielle Form an, um funktionelle Organe zu bilden? Wie plastisch sind diese zellulären Zustände? Kann die Zellplastizität zwischen Leber und Bauchspeicheldrüse für neuartige, regenerative Therapien, wie z.B. bei Diabetes genutzt werden?

Die jetzt in Nature publizierte Arbeit erweitert das derzeitige Verständnis der zellulären Prozesse, die die frühe Organogenese steuern. Die Ergebnisse weisen auf eine anhaltende Plastizität der Vorläuferzellen hin, die der hepatopankreatisch-biliären Entwicklung zugrunde liegt. Die Aufrechterhaltung multipotenter Zellen in einem sich entwickelnden Organ könnte einen ähnlichen Zweck erfüllen wie die Aufrechterhaltung einer Stammzellnische in einem erwachsenen Gewebe. Auf diese Weise stellen sie die Regulation der Homöostase sicher und verbessern die Widerstandsfähigkeit während der Organogenese - zum Beispiel nach einer Entwicklungsverzögerung oder dem Verlust einer auf eine bestimmte Abstammungslinie beschränkten Zellpopulation. Wird eine solche multipotente Vorläuferdomäne nicht aufrechterhalten, kann dies zu genetischen Syndromen beim Menschen, sowie zu Fehlbildungen führen, die sich durch organübergreifende Phänotypen in Leber, Bauchspeicheldrüse und Gallenblase auszeichnen.

Um nachzuweisen, dass multipotente Vorläuferzellen das Potenzial haben, den hepatopankreatisch-biliären Stammbaum zu besiedeln und in der weiteren Entwicklung bestehen bleiben, haben David Willnow und das Spagnoli Labor computergestützte Modellierungen mit genetischen Mausmodellen kombiniert. Der nächste Schritt besteht darin, solche plastischen multipotenten Populationen beim Menschen zu untersuchen und ihr Potenzial für die regenerative Medizin zu nutzen. Dies könnte auch dazu beitragen, die Mechanismen aufzuklären, die menschlichen genetischen Syndromen, sowie menschlichen Fehlbildungen mit Multiorgan-Phänotypen in Leber, Pankreas und Gallenblase zugrunde liegen.

Publikation

Originalarbeit: David Willnow, Uwe Benary, Anca Margineanu, Maria Lillina Vignola, Fabian Konrath, Igor M Pongrac, Zahra Karimaddini, Alessandra Vigilante, Jana Wolf und Francesca M Spagnoli. Quantitative Abstammungsanalyse identifiziert eine hepato-pankreatisch-biliäre Vorläufer-Nische. Nature, DOI: doi.org/10.1038/s41586-021-03844-1