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Haghikia A, Li XS, Liman TG, Bledau N, Schmidt D, Zimmermann F, Kränkel N, Widera C, Sonnenschein K, Haghikia A, Weissenborn K, Fraccarollo D, Heimesaat MM, Bauersachs J, Wang Z, Zhu W, Bavendiek U, Hazen SL, Endres M, Landmesser U. Gut Microbiota-Dependent Trimethylamine N-Oxide Predicts Risk of Cardiovascular Events in Patients With Stroke and Is Related to Proinflammatory Monocytes. Arterioscler Thromb Vasc Biol. 2018 Jul 5. pii: ATVBAHA.118.311023. doi: 10.1161/ATVBAHA.118.311023.

Abstract

OBJECTIVE
Gut microbiota-dependent metabolites, in particular trimethylamine N-oxide (TMAO), have recently been reported to promote atherosclerosis and thrombosis. Here, we examined for the first time the relation of TMAO and the risk of incident cardiovascular events in patients with recent first-ever ischemic stroke in 2 independent prospective cohorts. Moreover, the link between TMAO and proinflammatory monocytes as a potential contributing factor for cardiovascular risk in stroke patients was studied.

APPROACH AND RESULTS
In a first study (n=78), higher TMAO plasma levels were linked with an increased risk of incident cardiovascular events including myocardial infarction, recurrent stroke, and cardiovascular death (fourth quartile versus first quartile; hazard ratio, 2.31; 95% CI, 1.25-4.23; P<0.01). In the second independent validation cohort (n=593), high TMAO levels again heralded marked increased risk of adverse cardiovascular events (fourth quartile versus first quartile; hazard ratio, 5.0; 95% CI, 1.7-14.8; P<0.01), and also after adjustments for cardiovascular risk factors including hypertension, diabetes mellitus, LDL (low-density lipoprotein) cholesterol, and estimated glomerular filtration rate (hazard ratio, 3.3; 95% CI, 1.2-10.9; P=0.04). A significant correlation was also found between TMAO levels and percentage of proinflammatory intermediate CD14++CD16+ monocytes (r=0.70; P<0.01). Moreover, in mice fed a diet enriched with choline to increase TMAO synthesis, levels of proinflammatory murine Ly6Chigh monocytes were higher than in the chow-fed control group (choline: 9.2±0.5×103 per mL versus ctr.: 6.5±0.5×103 per mL; P<0.01). This increase was abolished in mice with depleted gut microbiota (choline+ABS: 5.4±0.7×103 per mL; P<0.001 versus choline).

CONCLUSIONS
The present study demonstrates for the first time a graded relation between TMAO levels and the risk of subsequent cardiovascular events in patients with recent prior ischemic stroke. Our data support the notion that TMAO-related increase of proinflammatory monocytes may add to elevated cardiovascular risk of patients with increased TMAO levels.

Interview

Im Juli erhielt Ulf Landmesser, Direktor der Klinik für Kardiologie am Campus Benjamin Franklin der Charité und ärztlicher Leiter des CharitéCentrum für Herz-, Kreislauf- und Gefässmedizin an der Charité Universitätsmedizin Berlin, und sein Team das Paper of the Month. Wir haben mit ihm die Publikation, seine Forschung und mögliche Therapieansätze gesprochen:

Seltmann: Herr Prof. Landmesser, in Ihrer aktuellen Publikation geht es um die Ursachen und die Prävention von Herzinfarkten, was genau haben Sie herausgefunden?

Landmesser: Ja, wir beschäftigen uns intensiv mit der sogenannten koronaren Herzerkrankung, das ist die Arteriosklerose in den Herzkranzgefäßen und ist die Ursache für den Herzinfarkt. Wir haben in Berlin alleine etwa 10.000 Herzinfarkte in jedem Jahr. Wir beobachten, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem sogenannten Mikrobiom, den Bakterien, die wir im Darm haben, und dem Risiko für Herzinfarkt. Wir denken, dass der Zusammenhang vermittelt wird durch bestimmte Substanzen, die die Bakterien produzieren, die in den Blutstrom übergehen und die dann offensichtlich in den Gefäßen das Risiko für einen Gefäßverschluss erhöhen können. Das bietet uns auch einen ganz neuen Ansatz, wie wir das Herzinfarktrisiko in der Zukunft besser senken können. Wir arbeiten darauf hin, dass wir die Konzentration von Stoffen, die von den Bakterien freigesetzt werden und die für den Menschen schädlich sind, absenken können. Und wir möchten natürlich auch besser verstehen, warum es überhaupt zur Produktion dieser Stoffe kommt.

Seltmann: Wie könnten Sie die Produktion dieser Stoffe denn absenken?

Landmesser: Ich möchte vorausschicken, dass die Arbeit in Kooperation mit der Cleveland-Clinic entstanden ist. Wir haben ein internationales transatlantisches Forschungsnetzwerk of Excellence gegründet. Und dieses Forschungsnetzwerk hat unter anderem das Ziel, Substanzen zu identifizieren, die die Bildung dieser Metabolite in den Bakterien hemmen können. Das Interessante daran ist, dass, wenn wir sonst Herzinfarkt vermeiden durch Hemmung von Stoffen, die die Gefäßverschlüsse begünstigen, wir häufig ein erhöhtes Blutungsrisiko als Nebenwirkung haben. Also Substanzen, die die Blutgerinnung hemmen, verringern das Herzinfarktrisiko, aber erhöhen auch das Blutungsrisiko. Und das Interessante an diesem neuen Ansatz, denken wir, könnte sein, dass man durch die Beeinflussung der Bakterien das Herzinfarktrisiko senken könnte, ohne dass man gleichzeitig das Blutungsrisiko erhöht. Also vielleicht eine besonders elegante Methode, das Ziel zu erreichen.

Seltmann: Was genau machen diese Stoffe aus den Bakterien? Wodurch erhöhen sie das Herzinfarktrisiko?

Landmesser: Das ist Gegenstand der Forschung. Das untersuchen wir auch weiter in unserer Forschungsgruppe. Eine Beobachtung, die wir gemacht haben, ist, dass dieser Metabolit auf Gefäßinnenschichtzellen, sogenannten Endothelzellen, die Faktoren hochreguliert, die die Blutgerinnung begünstigen, den sogenannten Tissue-Factor. Das heißt, die Metabolite von den Bakterien aktivieren letztlich die Gerinnsel-Bildung im Gefäß. Das ist ein Mechanismus, von dem wir uns vorstellen können, dass der eine Rolle spielt. Was wir in der aktuellen Arbeit auch gefunden haben, ist, dass die Metabolite mit einer erhöhten Entzündungsneigung verbunden sind bei den Patienten. Da müssen wir noch genauer verstehen, wie das funktioniert. Die Idee, dass Entzündung mit Arteriosklerose verbunden ist, geht ja auf Herrn Virchow zurück, der das schon vor 160 Jahren hier in Berlin beschrieben hat in entsprechenden Artikeln. Und wir sind eigentlich jetzt erst dabei, so richtig die Mechanismen zu verstehen, wie das zusammenhängt.

Seltmann: Das Herzinfarktrisiko hängt unter anderen auch damit zusammen, wie viel man sich bewegt, ob man raucht, ob man sich gesund ernährt. Jetzt befindet sich das Mikrobiom ja im Darm. Da könnte man sich vorstellen, dass die Ernährung einen Einfluss hat auf die Zusammensetzung des Mikrobioms und dadurch dann einen Einfluss auf das Herzinfarktrisiko?

Landmesser: Das ist sehr gut vorstellbar, dass das Mikrobiom ein Mediator ist zwischen Ernährung und Herzinfarktrisiko. Dominik Müller vom Max-Delbrück-Centrum in Berlin Buch hat ja auch zeigen können, dass Salzkonsum den Anteil bestimmter Darm-Bakterien reduziert und das den Blutdruck erhöht. So kann man sich auch vorstellen, dass die Ernährung das Mikrobiom so verändert, dass vielleicht mehr von diesen Metaboliten, die wir jetzt identifizieren konnten, freigesetzt werden. Also das ist sehr gut denkbar, dass Ernährung und Zusammensetzung des Mikrobioms zusammenhängen.

Seltmann: Wie kann man denn nun die Produktion des schädlichen Stoffwechselproduktes hemmen?

Landmesser: Es wird in den Bakterien von einem Enzym hergestellt, das man spezifisch hemmen kann. Und damit hätte man eine Substanz, die am Menschen gar nichts macht, sondern nur an den Bakterien angreift und damit praktisch das Herzinfarktrisiko idealerweise senken könnte.

Seltmann: Gibt es diese Substanz schon, mit der man das Enzym spezifisch hemmen kann? Ist das ein Medikament, das schon verfügbar ist?

Landmesser: Nein. Das ist jetzt eine Substanz, die ist experimentell in der Untersuchung. Und wir hoffen, dass wir gemeinsam mit den Kollegen aus Cleveland eine First-in-Man-Studie machen können, bei der wir das erstmals auch am Menschen untersuchen können.

Seltmann: Das wäre ja sicherlich auch für die Pharmaindustrie interessant, falls da was rauskäme?

Landmesser: Das stimmt. Möglicherweise läuft es dann ja so, dass man einen „proof of concept“ macht, und irgendwann, wenn es erfolgreich sein sollte, muss man wahrscheinlich mit der Pharmaindustrie zusammen arbeiten, weil weder das BIH noch die Charité die Mittel haben, so ein großes Studienprogramm allein zu finanzieren.

Seltmann: Wie geht es jetzt weiter?

Landmesser: Ich hoffe, dass wir das in den nächsten drei Jahren an Menschen untersuchen und dann auch an Patienten testen können. Es ist nicht der einzige Weg, den wir verfolgen. Wir haben noch andere interessante Metaboliten im Mikrobiom gefunden, die zum Beispiel auf den Cholesterinstoffwechsel Einfluss haben. Da geht’s um einen Bakterien-Metabolit, den man auch oral geben kann, also als Nahrungszusatzstoff. Und da sind wir relativ weit, dass wir, hoffe ich, auf jeden Fall im nächsten Jahr die Daten haben und das auch publizieren werden und vielleicht das dann auch zügig in eine klinische Anwendung bringen können. 

Seltmann: Das wäre ein Metabolit, der einen positiven Effekt hat, der das Risiko für einen Herzinfarkt senkt?

Landmesser: Ja, genau. Die Bakterien stellen auch gute Metaboliten her.

Seltmann: Sind das dieselben Bakterien?

Landmesser: Nein, es sind wahrscheinlich andere. Wir haben mehr Bakterien in uns, als wir Körperzellen haben. Und die tun eben auch viele Dinge, die gut für uns sind. Und das wollen wir auch erforschen und vielleicht auch im Sinne von präventiven Ansätzen nutzen.

Seltmann: Herr Professor Landmesser, vielen Dank für das Gespräch.