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Daniel Ibrahim ist Experte für die Aktivität von Genen, die so genannte Genexpression. „Während der Entwicklung des Embryos ist präzise kontrolliert, wo und wann welches Gen wie häufig abgelesen und in Protein übersetzt wird“, erklärt der Molekularbiologe. „Aber natürlich auch während des gesamten Lebens spielt das eine Rolle, etwa wenn sich eine Stammzelle in eine bestimmte Blut- oder Hautzelle differenziert. Wenn hier Fehler auftreten, können ernsthafte Krankheiten entstehen.“

Regulatorische Bereiche des Erbgut im Fokus

Solche Fehler, die die Aktivität der Gene betreffen, liegen nicht im Kernbereich des Gens, der die Abfolge der Aminosäuren im Protein bestimmt, sondern davor oder dahinter. „Das sind die sogenannten regulatorischen Bereiche“, erklärt Ibrahim, „die darüber entscheiden, wie stark, zu welchem Zeitpunkt oder in welcher Zelle ein Gen angeschaltet wird. Wenn hier etwas nicht stimmt, wird zum Beispiel das entsprechende Eiweiß viel zu oft, zu wenig oder gar nicht mehr produziert. Und das kann je nach Eiweiß harmlos oder lebensgefährlich sein.“

Regulatorische Bereiche von Genen machen den größten Teil unseres Genoms aus. Man weiß, dass kurze DNA-Sequenzen als An- und Ausschalter um die codierenden Bereiche des Gens verstreut liegen. Wie diese scheinbar zufällige Anordnung von regulatorischen Elementen zu punktgenauer Genaktivität führt ist jedoch bisher weitgehend unbekannt. Dies ist der „regulatorische Code“, den Daniel Ibrahim und sein Team entschlüsseln wollen.

Um besser zu verstehen wie man Genaktivität „programmieren“ kann, verändern Ibrahim und seine Kolleg*innen im Labor gezielt das Erbgut von Stammzellen und untersuchen anschließend, was passiert. „Zwar können wir mittlerweile punktgenau einzelne Buchstaben auf der DNA austauschen. Schwierig wird es, wenn wir sehr lange Abschnitte auf der DNA verändern wollen“, berichtet Ibrahim, „und das muss man, wenn man den regulatorische Code knacken möchte. Hier kommt das ERC-Projekt ins Spiel!“

Synthetische DNA soll Licht ins Dunkel bringen

Um große Abschnitte auf der DNA systematisch zu verändern und deren Effekte zu studieren, haben sich die Forscher*innen vorgenommen, zunächst künstliche längere DNA-Abschnitte im Labor zu synthetisieren. In diesen Sequenzen wollen sie die An- und Ausschalter so anordnen, dass ein fluoreszierendes Protein nur in bestimmten Zelltypen aktiv ist. Diese großen synthetischen DNA-Fragmente werden dann in das Erbgut von Stammzellen der Maus eingeschleust. „Anschließend können wir anhand der aufleuchtenden Zellen beobachten, wie genau wir die Genaktivität programmiert haben: Sind genau die richtigen Zelltypen aktiv? Ist das Gen in anderen Zelltypen inaktiv?“

Aus den Ergebnissen erhofft sich Daniel Ibrahim neue Erkenntnisse über die versteckten Informationen im Erbgut. „Welche Rolle spielen die Position oder der Abstand zwischen den regulatorischen Elementen? Wie beeinflussen die vielen An- und Ausschalter sich gegenseitg? Das wollen wir mit diesem Projekt erforschen.“

Weg zu neuen Gentherapien?

Abgesehen von den wissenschaftlichen Erkenntnissen haben die Technologien, die für das Projekt entwickelt werden, enormes medizinisches Potential. Sie könnten Wissenschaftler*innen den Weg zu neuen Gentherapien ebnen, bei denen größere Erbgutabschnitte ersetzt oder eingeführt werden müssen.

Derzeit werden bei der Gentherapie relativ kurze DNA-Stücke in die Zellen von Patient*innen eingeschleust und dort ins Erbgut eingebaut. Auch die CRISPR/Cas9 Methode kann zwar extrem zielgenau DNA verändern, aber ebenfalls nur recht kurze Abschnitte ersetzen. Dies begrenzt die Möglichkeiten der Gentherapie.

„Einige Kolleg*innen im BIH arbeiten an Gentherapien, bei denen längere Abschnitte ersetzt werden sollen, und sind sehr interessiert daran, unsere neuen Technologien für klinische Fragestellungen anzuwenden. Hier würden wir sehr gern helfen. Dann könnte aus Forschung tatsächlich Gesundheit werden,“ blickt Daniel Ibrahim in die Zukunft.

Über den ERC-Starting Grant

Die Gutachter*innen des Europäischen Forschungsrates suchen nach ungewöhnlichen Ansätzen, die – sofern sie funktionieren – Türen aufstoßen und erheblichen Fortschritt ermöglichen können („high risk, high reward“). Die Kandidat*innen müssen seit ihrer Promotion zwei bis sieben Jahre Erfahrung gesammelt haben und vielversprechende wissenschaftliche Erfolge vorweisen können. Grant Agreement No. 101076709

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