Interview
Kurzinterview mit Thomas Gazlig zum Positionspapier der Transferallianz
“Schneller und reibungsloser ausgründen mit standardisierten Eckpunkten”, so der Titel des neuen Positionspapiers der TransferAllianz. Wir haben Thomas Gazlig, den Leiter der Charité BIH Innovation, zu den darin diskutierten Empfehlungen für Ausgründungen im Bereich Medical Life Science interviewt.
Welche Bedeutung haben Ausgründungen für die Translation? Inwiefern leisten sie einen positiven Beitrag für die Forschung und Patient*innen?
Ausgründungen sind zusammen mit Lizenzierungen ganz entscheidend für den erfolgreichen Abschluss der translationalen Wertschöpfungskette, um Forschungsergebnisse in praktische Anwendungen zu überführen. Wir alle möchten eine größtmögliche Wirkung aus unserer Forschung erzielen, indem zum Beispiel möglichst viele Patienteninnen und Patienten von einem Forschungsergebnis profitieren. Damit das gelingt, muss ein neues Medikament oder Verfahren Teil der Standardversorgung werden und dazu bedarf es eines zugelassenen Produktes auf dem Markt. Das ist kein Thema mehr für uns als Wissenschaftseinrichtung, sondern wird durch neue Unternehmen, also als Ausgründung, oder durch bestehende Unternehmen im Rahmen einer Lizenz umgesetzt.
Was sind aktuell die größten Herausforderungen bei Ausgründungen aus dem Bereich Medical Life Sciences?
Es gibt eine Vielzahl von Herausforderungen, wobei die Gewinnung ausreichend hohen Risikokapitals besonders hervorzuheben ist. Hier geht es jedoch primär um den Übergang von der akademischen Forschung in ein zu gründendes Wirtschaftsunternehmen und da können die oftmals schwierigen, langwierigen und auch persönlich herausfordernden Verhandlungen mit den Gründerteams eine Herausforderung darstellen. Oftmals gibt es sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie eine angemessene Partizipation der öffentlich-finanzierten Einrichtungen an einem möglichen wirtschaftlichen Erfolg des Spin-offs aussehen kann. Dabei müssen unterschiedliche Interessen ausbalanciert werden und natürlich muss das unternehmerische Risiko belohnt werden, dass die Gründerteams eingehen, wenn sie die akademische Welt verlassen. Internationale Erfahrungen zeigen, dass eindeutige und transparente Konditionen Verhandlungen deutlich vereinfachen können, aber auch Investoren anziehen, dass die Rahmenbedingungen von Anfang an klar sind.
Warum braucht es deutschlandweit einen einheitlichen Rahmen für Ausgründungen? Warum ist es wichtig, hier auch international anschlussfähig zu sein?
Mit dem Positionspapier der TransferAllianz liegen jetzt erstmals konkrete Empfehlungen für den Bereich Medical Life Sciences vor. Erfahrungen insbesondere aus den USA haben gezeigt, dass es für alle Akteure sehr vorteilhaft ist, über standardisierte und harmonisierte Eckpunkte für die Ausgründungskonditionen zu verfügen. Mittlerweile gibt es in mehreren europäischen Ländern solche Empfehlungen, die sich im Wesentlichen aus den hervorragenden Vorschlägen der Columbia University mit einigen Ivy League Universities und großen Risikokapitalgebern ableiten ist. Und das ist auch beim Positionspapier der TransferAllianz der Fall, denn deutsche Sonderwege sind auf den internationalen Risikokapitalmärkten nicht hilfreich. Einheitliche Bedingungen schaffen Transparenz und Fairness und stärken die Planungssicherheit für Gründer*innen. Internationale Anschlussfähigkeit ist wichtig, um die Attraktivität für nationale und internationale Investoren zu erhöhen und die Rahmenbedingungen für Investitionen zu verbessern. Dies bedeutet, dass deutsche Ausgründungen mit internationalen Standards und Praktiken kompatibel sein müssen, um global wettbewerbsfähig zu bleiben.
Woran orientieren sich die Konditionen?
Die Spin-off Terms leiten sich aus international bewährten und anerkannten Modellen ab, die gemeinsam von führenden Universitäten und Investoren entwickelt wurden. Dazu gehören insbesondere der USIT-Guide Life Sciences der TenU und die Empfehlungen der AUTM. Die Orientierung an diesen Modellen garantiert u. a. die internationale Anschlussfähigkeit und sichert sowohl die Berücksichtigung der Interessen von Investoren und Wissenschaftsreinrichtungen. Darüber hinaus kann so eine faire und angemessene Partizipation aller Akteur*innen am Erfolg des Spin-offs sichergestellt werden.
Inwiefern können die Empfehlungen die alltägliche Arbeit im gemeinsamen Technologietransfer von BIH und Charité vereinfachen?
Der Ausgründungsprozess ist ein komplexes Unterfangen, bei dem unterschiedliche Interessen und Erwartungen der beteiligten Akteure in Einklang gebracht werden müssen. Das gilt insbesondere für Beschäftigte, die gleichzeitig als Gründer*innen eigene wirtschaftliche Interessen haben. Vor allem die Verhandlung der Ausgründungskonditionen ist dann ein zeitkritischer Prozessschritt, durch den sich der Ausgründungsprozess unter Umständen über Monate, manchmal sogar Jahre hinweg erstreckt.
Die Vereinfachung für unsere alltägliche Arbeit bei Charité BIH Innovation, aber auch für die beteiligten Gründerteams, besteht vor allem darin, dass ein Rahmen für festgelegt und transparent gemacht ist. Das heißt, sie sind konsistente Rahmenbedingungen, die für alle unsere angehenden Start-Ups einen Verhandlungshorizont abstecken. Alle Konditionen liegen von Beginn an auf dem Tisch. Das hilft uns, ein Klima des Vertrauens zu schaffen und grundlegende Missverständnisse schon zum Verhandlungsbeginn auszuschließen. Wir werden so effizienter und schneller, mit einem für alle zufriedenstellenden Ergebnis.
Wie ist die bisherige Resonanz auf das Papier?
Das Papier wurde gemeinsam mit weiteren nationalen Stakeholdern entwickelt und abgestimmt und von der TransferAllianz federführend in einem Positionspapier im Oktober 2024 vorgestellt. Die bisherige Resonanz auf das Positionspapier ist zumeist grundsätzlich positiv. Natürlich möchte jeder Akteur das bestmögliche Ergebnis für sich erzielen, aber ich bin sicher, dass wir hier einen sehr guten, gründungsfreundlichen Kompromiss gefunden haben. Es war uns wichtig, sowohl die Interessen der Steuerzahler*innen – die hinter der Ausgründung liegende Forschung wurde mit öffentlichen Mitteln durchgeführt – als auch die Interessen der Forschenden, die in die Selbstständigkeit übergehen zu berücksichtigen. Beispielsweise erwarten wir für die Charité eine Beteiligung in Höhe von 10 bis 15 %, während die restlichen Anteile, also 85 bis 90 % für das Gründerteam vorgesehen sind. Weitere Konditionen sind so angedacht, dass die Liquidität der Ausgründung geschont wird, was gerade in der Anfangsphase von größter Bedeutung ist. Die Veröffentlichung des Positionspapiers stieß auch international auf sehr positive Resonanz.