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Welche Fragestellung wollten Sie beantworten, was hat Sie besonders interessiert?

Bei einer myelodysplastischen Neoplasie (MDS) kommt es infolge von Erbgutveränderungen zu einer gestörten Blutzellbildung, was mit einem erhöhten Risiko für eine akute myeloische Leukämie einhergeht. Eine MDS kann auch nach einer allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation auftreten. Hier ist es für die weitere Behandlung besonders wichtig zu differenzieren, ob Zellen des Empfängers oder des Spenders ursächlich für die MDS sind. Ein großes Problem ist jedoch, dass sich diese Frage meist unzureichend mit herkömmlicher Diagnostik und standardisierten Methoden beantworten lässt. Dies verdeutlicht der Fall einer schwerkranken jungen Patientin hier an der Charité, die von diesem klinischen Szenario betroffen war. Bei ihr konnte trotz Ausschöpfung aller diagnostischen Möglichkeiten der Ursprung ihrer MDS nicht festgestellt werden. Dies hat uns dazu veranlasst, einen methodischen Ansatz zu entwickeln, um eine eindeutige Diagnose und Unterscheidung zwischen Empfänger- und Spender-MDS zu ermöglichen. 

Welche spezifischen Herausforderungen gab es bei der Entwicklung Ihres Ansatzes?

Eine erhebliche Einschränkung besteht darin, dass mit sogenannten Bulk-Verfahren zwar Genmutationen erkennbar sind, diese aber nicht auf einzelne Zellen heruntergebrochen werden können. Standardisierte und kommerzielle Einzelzell-Verfahren sind wiederum so ausgelegt, dass nur ein kurzer Sequenzbereich von einem Ende der mRNA ausgehend ausgelesen wird. Allerdings befinden sich viele Mutationen nicht nur am Ende, sondern inmitten einer Gensequenz, sodass diese nur ungenügend oder gar nicht zu finden sind. Dies war auch bei der Patientin der Fall, bei der bereits eine MDS-assoziierte U2AF1-Mutation identifiziert wurde. Unklar war jedoch, ob die mutierten Zellen von der Empfängerin selbst oder vom Spender stammten. Um diese Frage zu beantworten, haben wir deshalb eine Einzelzellstrategie entwickelt, die die spezifische Mutation gezielt detektiert und anreichert. Neben der Unterscheidung von Spender- und Empfängerzellen ermöglicht unser Ansatz die zusätzliche Genotypisierung jeder Zelle auf der Grundlage ihres Mutationsstatus. Dadurch konnten wir eindeutig zeigen, dass die mutierten Zellen von der Patientin stammten. 

Was hat Sie überrascht und ggf. warum? Was war neu?

Wir waren positiv überrascht, dass wir in relativ kurzer Zeit in der Lage waren, eine Präzisionsdiagnostik zur Verfügung zu stellen, die wiederum eine zielgerichtete und personalisierte Therapie ermöglichte. 

Welche Bedeutung könnte der Erfolg für künftige Patient*innen haben?

Der von uns etablierte Ansatz kann wegweisend sein, um ähnlich betroffenen Patient*innen zu helfen und ist prinzipiell auch auf die hochauflösende Untersuchung anderer krankheitsspezifischer Mutationen übertragbar. 

Wo sehen Sie die translationale Brücke zwischen Forschung und Anwendung?

Eine Herausforderung und zugleich Chance besteht darin, neueste molekulare Methoden für den klinischen Gebrauch einsetzbar zu machen. Das erfordert die Entwicklung und Implementierung maßgeschneiderter Ansätze zur Beantwortung konkreter Fragestellungen, die mit vorhandener Diagnostik oder Methoden in ihrer standardisierten Anwendung nicht zu lösen sind. Darüber hinaus hebt unsere Studie die Bedeutung einer „bedside to bench to bedside“-Herangehensweise hervor, um einerseits Bedürfnisse der translationalen Forschung zu identifizieren und andererseits eine personalisierte Medizin im klinischen Bereich zu ermöglichen. 

Pressekontakt

Konstanze Pflüger

Leitung Stabsstelle Kommunikation, Pressesprecherin

Kontaktinformationen
Telefon:+49 (0)30 450 543 343
E-Mail:konstanze.pflueger@bih-charite.de