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Die Versorgung von Patient*innen mit schweren psychischen Erkrankungen in Deutschland ist aktuell in einer besorgniserregenden Situation. "Viele Patientinnen und Patienten werden nach einer akuten Krise aus der stationären Behandlung entlassen und müssen anschließend über Tage bis Wochen allein zurechtkommen. Sie nehmen oft stark wirksame Medikamente ein, die häufig auch mehrere Nebenwirkungen haben, und brechen deshalb die Behandlung häufig ab. Die Folge sind oft weitere Krisen, die eine erneute Aufnahme ins Krankenhaus notwendig machen", berichtet Dr. Jakob Kaminski, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie an der Charité.

Aufgrund dieser für alle Beteiligten unbefriedigenden Situation, entwickelten Ärzt*innen und Wissenschaftler*innen der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité "Recovery Cat". Die Software unterstützt die transparente und nachvollziehbare Therapieplanung sowie die Medikamenteneinstellung und das Krisenmanagement für Patient*innen mit schweren psychischen Erkrankungen. Dazu zählen Schizophrenie, bipolare Störungen oder rezidivierende depressive Störungen. Behandler*in und Patient*in setzen gemeinsam Therapie- und Ressourcenpläne auf, verfolgen gemeinsam kontinuierlich den Verlauf und können so nachvollziehen, wie sich der Behandlungserfolg entwickelt und mögliche Krisen frühzeitig erkennen. Die App, deren Entwicklung von Beginn an ein Patientenboard begleitete, ermöglicht so einen weitgehend selbstbestimmten Alltag im eigenen Zuhause.

Digitale Therapieplanung und -evaluation entlastet alle Beteiligten

„Es ist bislang leider häufig so, dass Entscheidungen, wie eine Dosisänderung oder ein Wechsel der Medikation, auf Einschätzungen zu einem einzelnen Zeitpunkt während ärztlicher Kontakte basieren“, erklärt Dr. Jakob Kaminski, Mitgründer von "Recovery Cat". Dabei ersetzt "Recovery Cat" explizit nicht den Kontakt zum bestehenden Behandlerteam aus Ärzt*innen und Psycholog*innen, sondern unterstützt und integriert sich direkt in bestehende Behandlungsabläufe. „Wir sind uns sicher, dass wir damit alle Beteiligten entlasten können - die Patient*innen, ihre Angehörigen, die Klinken und das Gesundheitssystem", ergänzt Alissa M. Rohrbach, Mitgründerin und CEO von "Recovery Cat".

Datengestützte Versorgung unterstützt Patient*innen zuhause

"Recovery Cat" erleichtert eine personalisierte, datengestützte psychiatrische Versorgung und unterstützt die Patient*innen zuhause. "Wir bestärken bei den Behandlungsterminen die Patient*innen und Behandler*innen darin, in den Dialog zu treten, um die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen in die Therapieplanung einzubringen. Und in der Zeit zwischen den Terminen kann unser Tool die "Blackbox" zwischen den Behandlungsterminen aufdecken", sagt Dr. Jakob Kaminski. Das tägliche Eintragen in die App fördert darüber hinaus das Selbstmanagement und die Adhärenz.

Prof. Joachim Spranger, Dekan der Charité, gratuliert den Gründer*innen von Recovery Cat: „Ich bewundere die Innovationsfreude unserer jungen Kolleginnen und Kollegen, die es mit Mut und Ausdauer geschafft haben, ihre Ideen zur Verbesserung der Versorgung von psychiatrischen Patient*innen in ein Start Up Unternehmen zu überführen. Sie erfüllen die Strategie der Charité „Gesundheit neu denken“ mit Leben und zeigen beispielhaft die Innovationskraft der Charité-Mitarbeiter*innen zum Wohle unserer Patient*innen.“!“

Thomas Gazlig, Leiter von Charité BIH Innovation, ist stolz auf die bereits neunte Ausgründung, die aus dem BIH Digital Health Accelerator hervorgeht. Er ergänzt: „Recovery Cat fördert ein Neu- und Umdenken bestehender Behandlungsmethoden. Damit die neuen Ideen aus der Klinik auch bei den Patient*innen ankommen, benötigen die jungen Entwickler*innen einen erfolgreichen Technologietransfer und ein Team, das sie auf ihrem Weg unterstützt. Wir freuen uns, innovative Produkte wie dieses durch unsere Programme für Betroffene nutzbar zu machen.“

Wie funktioniert die Plattform?

Durch eine regelmäßige Abfrage der an die Therapie angepassten (Ziel-)Symptome, Nebenwirkungen, Medikamenteneinnahme und Lebensereignisse können Patient*innen und Behandler*innen besser nachvollziehen, ob und wie die Therapie wirkt. Hinweise auf mögliche Symptomveränderungen sowie die regelmäßige personalisierte Verlaufserhebung können Patient*innen dabei helfen, langfristig stabil zu bleiben.

Der Schutz der Daten und die Datensicherheit spielen bei digitalen Lösungen im Gesundheitswesen eine zentrale Rolle. Der Austausch der sensiblen Patient*innendaten erfolgt ausschließlich im direkten Austausch mit den behandelnden Ärzt*innen, so dass die Patient*innen die volle Kontrolle über ihre Daten behalten. Das Datenschutzkonzept ist maßgeblich durch den dritten Co-Gründer und Chief Technology Officer Andreas Pittrich entwickelt worden. Recovery Cat arbeitet zudem eng mit Patient*innen zusammen, um eine App zu entwickeln, die das Leben der Menschen mit Krisenerfahrung wirklich verbessert. Der Quellcode ist dabei öffentlich verfügbar (Open Source), um statt Wettbewerb eine engere Kooperation im Gesundheitswesen zu fördern – es gebe bisher viel zu wenige innovative Ansätze für psychisch schwer erkrankte Patient*innen, so Jakob Kaminski     .

BIH Digital Health Accelerator fördert Herzensprojekt in Zusammenarbeit mit Ascenion

Das Programm BIH Digital Health Accelerator hat das Projekt Recovery Cat von 2020 bis zur Ausgründung im Herbst 2022 unterstützt. Den Lizenzvertrag zwischen Charité und Recovery Cat sowie die Gründungsverträge haben das Team Patente & Lizenzen und Ascenion mit den Gründern verhandelt und Ascenion hat sich anschließend für die Charité an Recovery Cat beteiligt. Jakob Kaminski und Alissa Rohrbach dazu: „Recovery Cat ist ein Herzensprojekt, und wir freuen uns sehr, dass nun der Schritt in die Ausgründung gelungen ist. Auf diesem Weg war die vielfältige Unterstützung im BIH DHA-Programm durch Mentoring, Fördermittel, Netzwerke und Nutzung des Co-Working Space maßgeblich für unseren Erfolg.“

Pressekontakt / Press contact

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Ole Kamm: +49 1522 5610126

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