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Simon Haas ist Experte für Single-Cell-Analysen. "Wir können extrem gut Momentaufnahmen machen", erklärt der Molekularbiologe. "Wir sehen, welche Zellen in einem Gewebe vorhanden sind, welche Zellen zu einem bestimmten Zeitpunkt aktiv sind, wie sie sich verändern oder welche Proteine sie produzieren. Das ist nützlich, wenn man zum Beispiel wissen möchte, wie viele aktive Immunzellen im Blut auf wie viele Leukämiezellen treffen."

Was die Wissenschaftler bislang allerdings nicht gut verstehen, ist die Interaktion zwischen den Zellen: "Wir wissen, dass die Immunzellen die Krebszellen erkennen und an sie binden. Wir wissen aber nicht, welche Immunzellen mit welchen Krebszellen reagieren, und was das bewirkt", bedauert Simon Haas. "Das wäre aber wichtig um zu verstehen, warum das Immunsystem in manchen Fällen die Leukämiezellen besiegt und in anderen versagt. Und warum bei manchen Patienten die Immuntherapie gut anschlägt, bei anderen dagegen nicht."

Doubletten statt Einzelzellen

Hierzu möchte Simon Haas die Single-Cell-Analyse so weiter entwickeln, dass sie die Interaktion und Kommunikation aller Immunzellen mit Krebszellen erfassen kann. Haas ist mit seinem Team am Berliner Institut für Molekulare Systembiologie BIMSB des Max Delbrück Centers untergebracht, das hierfür hervorragende technische Voraussetzungen bietet. "Wir möchten statt Einzellzellen Millionen von Zellpaaren untersuchen, die gerade miteinander interagieren. Diese Doubletten verraten uns, wer an wen bindet und was dabei passiert." Der Wissenschaftler interessiert sich für die Signale, die die beiden Zellen bei ihrer Begegnung untereinander austauschen, in welchem Stadium der Entwicklung sie sich gerade befinden und welche Folgen die Bindung für die Zellen hat: Wird die Immunzelle aktiviert? Wird die Krebszelle abgetötet?

Die Wissenschaftler*innen um Simon Haas untersuchen zunächst das Blut von Mäusen, die an Leukämie erkrankt sind. Bei ihnen können sie verfolgen, wie sich die Krankheit zu verschiedenen Zeitpunkten entwickelt, wie sie voranschreitet oder gestoppt werden kann. Unterstützung erhält Simon Haas aber auch von seinen Kooperationspartnern an der Charité: Die Onkologen um Professor Lars Bullinger, Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie am Campus Virchow Klinikum, und Professor Ulrich Keller, dem ärztlichen Leiter der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie am Campus Benjamin Franklin, stellen Proben von Leukämiepatient*innen zur Verfügung. "Wenn wir verstehen, in welchem Stadium der Krankheit sich die Zellen begegnen, und in welchem Stadium der Entwicklung sich die Immunzelle und die Krebszelle jeweils befinden, können wir besser nachvollziehen, wie die Immunabwehr vorgeht und wie sich die Leukämie dagegen wehrt", erklärt Simon Haas.

Warum versagt die Immuntherapie?

Immuntherapien, die das Immunsystem des eigenen Körpers nutzen, um den Krebs zu bekämpfen, werden bereits erfolgreich für die Behandlung von Leukämien eingesetzt. Allerdings funktioniert dieser Therapieansatz nur bei einem Bruchteil der Patient*innen. "Wenn wir nun die Zellpaare aus dem Blut der erfolgreich behandelten Patienten mit denen der Patienten vergleichen, bei denen die Immuntherapie leider nicht funktioniert hat, können wir hoffentlich lernen, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit das Immunsystem gegen die Leukämie gewinnt." Das Ziel ist es, vorhersagen zu können, bei welchen Patient*innen sich der Einsatz der sehr aufwändigen und kostspieligen Immuntherapie voraussichtlich lohnt. Und wie man die Immuntherapie so weiterentwickeln kann, dass sie bei noch mehr Patient*innen gut wirkt.

Der ERC Starting Grant ist mit einer Förderung in Höhe von etwa 1,5 Millionen Euro über fünf Jahre verbunden. "Fast wichtiger ist aber das internationale Ansehen der Auszeichnung", sagt Simon Haas. Der Preis gilt als eine Art Ritterschlag für Nachwuchsforscher, öffnet Türen zu weiteren Fördermitteln und zieht gute Bewerber*innen für Doktoranden- und PostDoc-Stellen an. Die kann Simon Haas jetzt gut gebrauchen, denn mit dem Geld vom ERC Starting Grant kann er zwei Doktorand*innen und einen PostDoc einstellen. Und damit noch erfolgreicher gegen die Leukämie vorgehen.

Über den ERC-Starting Grant

Die Gutachter*innen des Europäischen Forschungsrates suchen nach ungewöhnlichen Ansätzen, die – sofern sie funktionieren – Türen aufstoßen und erheblichen Fortschritt ermöglichen können („high risk, high reward“). Die Kandidat*innen müssen seit ihrer Promotion zwei bis sieben Jahre Erfahrung gesammelt haben und vielversprechende wissenschaftliche Erfolge vorweisen können. Grant Agreement No. InteractOmics   101078713

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