Erst seit relativ kurzer Zeit ist bekannt, dass Krebszellen die Fähigkeit besitzen, kleine Erbgutringe außerhalb der Chromosomen – die sogenannte zirkuläre DNA – selbst zu erzeugen und in das bestehende Erbgut wieder einzugliedern. Wird die ursprüngliche Abfolge der DNA dabei durcheinandergebracht, kann das Zellwachstum außer Kontrolle geraten und Krebs entstehen. „Wir konnten bereits zeigen, dass dies beim Neuroblastom, einem vorrangig im Kindesalter auftretenden Tumor, häufiger zu beobachten ist als zunächst angenommen“, bestätigt Privatdozent Dr. Henssen, der als Arzt auch an der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie der Charité tätig ist. „Wir werten das als Hinweis, dass das Entstehen von ringförmiger DNA eine wichtige Rolle bei der Umgestaltung der Krebs-DNA darstellt.“
Mit dem Start von CancerCirculome wollen die Wissenschaftler*innen um den Kinderonkologen und Leiter einer Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe mehr über die Rolle der ringförmigen DNA bei kindlichen Tumoren herausfinden. „Wie die zirkuläre DNA entsteht und wie sie sich vermehrt, ist im Detail noch nicht bekannt. Dem Ursprung der kleinen Ringe wollen wir näherkommen, indem wir die Bausteine dieser Erbgutteile genau rekonstruieren“, erklärt Anton Henssen. „Dazu werden wir auf Einzelzellebene molekulare Faktoren bestimmen, die dazu führen, dass zirkuläre DNA überhaupt entstehen kann und vervielfältigt wird.“
Das Team hofft, auf komplett neue Mechanismen zu treffen, die dafür verantwortlich sind, dass Zellen die Kontrolle über ihr Wachstum verlieren. „Diese Mechanismen könnten Angriffspunkt für neue Therapie- und Diagnoseansätze sein – nicht nur für Tumorerkrankungen bei Kindern, sondern als Grundprinzip für Krebserkrankungen insgesamt“, sagt Anton Henssen, der auch Wissenschaftler des Deutschen Krebskonsortiums (DKTK) ist. Um herauszufinden, wie sich die Bildung der ringförmigen DNA und ihre Integration ins Erbgut biologisch auswirken, wollen die Wissenschaftler*innen zirkuläre DNAs in einzelnen menschlichen Zellen und Krebszellen mit der CRISPR Methode gezielt genetisch manipulieren. Außerdem wollen sie während der Krebstherapie auf Einzelzellebene verfolgen, wo die zirkuläre DNA vorhanden ist, wie sie sich verhält und wie sie sich ins Erbgut integriert. Ziel ist es herauszufinden, wie die ringförmigen Erbgutteile den Krebs auslösen und welche Vorgänge zur Integration zirkulärer DNA ins Erbgut führen.
Das gewonnene Wissen möchte Anton Henssen gemäß dem Motto des BIH „Aus Forschung wird Gesundheit“ natürlich gerne klinisch nutzen: „Wir hoffen, neue Marker zu entdecken, die die personalisierte Diagnose, Risikoabschätzung und Behandlung von Tumoren unterstützen können.“ Langfristiges Ziel ist es, das Verständnis über Tumoren nachhaltig zu beeinflussen und klinische Studien mit personalisierten Behandlungen für Kinder mit schwer zu behandelnden Krebsarten zu unterstützen.
ERC Starting Grant
Der Europäische Forschungsrat (ERC) unterstützt wissenschaftlichen Nachwuchs im Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020. Für den Aufbau der neuen Arbeitsgruppe an der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie der Charité und dem ECRC stehen in den kommenden fünf Jahren 1,48 Millionen Euro zur Verfügung.
BIH Charité Clinician Scientist
Dieses Programm des Berlin Institute of Health (BIH) und der Charité umfasst eine strukturierte Facharztausbildung und ermöglicht gleichzeitig Raum für klinische und grundlagenorientierte Forschung.