Genetik/Genomik
Computational Genome Biology
Martin Kircher
Martin Kircher trat im März 2017 die Leitung seiner Nachwuchsgruppe im Bereich der Bioinformatik am BIH an. Er beschreibt die Arbeit seiner Gruppe 'Computational Genome Biology' in einem Kurzporträt.
Überblick
Unsere Forschung konzentriert sich auf computerbasierte Methoden für die Identifizierung von funktional relevanten genetischen Veränderungen, die etwa für die Entstehung von Krankheiten eine Rolle spielen, und die Entwicklung von sensibleren Methoden für die Diagnostik (besonders Exom-, Genom- und zellfreie DNA-Sequenzierung). Im Allgemeinen erstreckt sich unsere Forschung auf die Bereiche Sequenzanalysen, Data Mining, maschinelles Lernen und funktionelle Genomik.
Team
Martin Kircher, Gruppenleiter
Philip Kleinert, Doktorand, philip.kleinert@bihealth.de
Philipp Rentzsch, Doktorand, philipp.rentzsch@bihealth.de
Sebastian Röner, Doktorand, sebastian.roener@bihealth.de
Max Schubach, wissenschaftlicher Mitarbeiter, max.schubach@bihealth.de
Woran arbeiten Sie? Welche Ziele streben sie an?
Auf Grundlage unseres breiten Interesses an Genetik, Epigenetik sowie menschlicher Entwicklung und Anpassung entwickelt meine Gruppe computerbasierte Lösungen, um technische und experimentelle Hemmnisse bei Protokollen für Hochdurchsatzsequenzierungen zu überwinden. Unser Hauptfokus liegt auf computerbasierten Methoden für die Identifikation von funktional relevanten genomischen Sequenzen und Veränderungen.
Wir entwickeln und unterhalten ein häufig benutztes Varianteneffekt-Scoringtool (Combined Annotation Dependent Depletion, CADD), das maschinelles Lernen verwendet, um mehr als 80 unterschiedliche genbasierte und genomweite Annotationen zu integrieren. CADD war das erste Programm um schädliche Varianten für alle möglichen einzelnen Basenpaarveränderungen im ganzen Genom vorherzusagen und gleichzeitig erlaubt auch multibasische und Insertions- und Deletionsveränderungen zu bewerten.
Ferner arbeiten wir mit anderen Arbeitsgruppen zusammen, um experimentelle Messungen für die Effekte von nicht-kodierenden Sequenzen zu erhalten und zu analysieren, z.B. von Massively Parallel Reporter Assays (MPRA). Trotzdem Mutationen die nicht-kodierende Sequenzen betreffen die Mehrheit aller Mutationen darstellen, und der wachsenden Anzahl an Nachweisen substanzieller phänotypischer Effekte und klinischer Relevanz, werden Veränderungen in regulatorischen Sequenzen bisher weniger gut verstanden, als solche in kodierenden Sequenzen. Bei uns werden experimentelle Daten verwendet, um daraus computerbasierte Modelle von regulatorischen Sequenzeffekten abzuleiten, mit dem Ziel, zu einem besseren Verständnis der Funktion der regulatorischen Sequenzen beizutragen und später regulatorische Sequenzmodelle in die nächste Generation von Varianteneffekt-Scoringtools für das gesamte Genom zu integrieren.
Wie können Patientinnen und Patienten eines Tages von Ihrer Forschung profitieren?
Mit einer signifikanten Reduktion der Kosten für Sequenzierungen, wurde die Sequenzierung des ganzen Exoms und Genoms in den letzten Jahren zur Methode der Wahl für seltene Krankheiten. Dieser Trend wird weitergehen und schließlich wird das Sequenzieren zu einem klinischen Standardinstrument werden. Meine Gruppe entwickelt computerbasierte Tools für die Analyse dieser Sequenzierungsdatensätze und gibt Klinikern Zusammenfassungen über die identifizierten Genveränderungen an die Hand, sodass die medizinische Entscheidungsfindung direkt unterstützt und verbessert werden kann.
Über den Nachwuchsgruppenleiter
Dr. Kirchers Ausbildung (B.Sc. und M.Sc. hon.) liegt im Bereich der Bioinformatik/Computerbasierten Molekularbiologie (Universität des Saarlandes 2003-2007) und er schloss seinen Dr. rer. nat in Zusammenarbeit mit dem MPI für evolutionäre Anthropologie und der Fakultät für Mathematik und Computerwissenschaften der Universität Leipzig (2007-2011) unter der Leitung von Dr. Janet Kelso, Prof. Dr. Svante Pääbo und Prof Dr. Peter Stadler ab. Zwischen 2012 und dem Frühjahr 2017, war er Senior Research Fellow in der Arbeitsgruppe von Jay Shendure an der Fakultät für Genomwissenschaft an der University of Washington in Seattle. Er war Mitglied der Analysegruppe des Center for Mendelian Genomics an der University of Washington und war aktiv an mehreren Studien zur Identifikation kausaler Varianten aus Exom- und Gemomsequenzierungsdaten beteiligt.
Seine Interessen an spezifischen technischen Problemen und wissenschaftlichen Fragestellungen verschaffte ihm praktische Erfahrungen in verschiedenen Forschungsbereichen: Epigenetik (z.B. Imprinting, MicroRNAs und DNA-Methylierung), Hochdurchsatzsequenzierung (z.B. Base Calling, Multiplexsequenzierung, Qualitätskontrolle und Datenverarbeitung), Genexpression (z.B. gewebe- und zelltypenspezifisch, in der Entwicklung und zwischen Spezies), alte DNA und menschliche Evolution (z.B. Unterschiede zwischen Spezies bzw. Subspezies, fehlende Evolution, genetische Vermischung), Genetik und seltene Krankheiten (z.B. Exom- und Genomanalyse, Vererbungsanalyse), funktionelle Genomik (z.B. die Integration von unterschiedlichen Annotationen, MPRAs) und Ursprungsgewebezusammensetzung von zellfreier DNA.
Das Wichtigste für ihn ist…
… seine computerbasierten Fähigkeiten gut einzusetzen und die Forschung voranzutreiben, beispielsweise durch die Konzeption von computerbasierten Methoden, um wissenschaftliche Fragen zu beantworten und die technologischen Grenzen zu verschieben.