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Publikation

Abstract

Endothelial cells (ECs) adapt their metabolism to enable the growth of new blood vessels, but little is known how ECs regulate metabolism to adopt a quiescent state. Here, we show that the metabolite S-2-hydroxyglutarate (S-2HG) plays a crucial role in the regulation of endothelial quiescence. We find that S-2HG is produced in ECs after activation of the transcription factor forkhead box O1 (FOXO1), where it limits cell cycle progression, metabolic activity and vascular expansion. FOXO1 stimulates S-2HG production by inhibiting the mitochondrial enzyme 2-oxoglutarate dehydrogenase. This inhibition relies on branched-chain amino acid catabolites such as 3-methyl-2-oxovalerate, which increase in ECs with activated FOXO1. Treatment of ECs with 3-methyl-2-oxovalerate elicits S-2HG production and suppresses proliferation, causing vascular rarefaction in mice. Our findings identify a metabolic programme that promotes the acquisition of a quiescent endothelial state and highlight the role of metabolites as signalling molecules in the endothelium.

Interview

In Ihrem ausgezeichneten Paper geht es um den Ruhezustand von Blutgefäßen. Warum interessieren Sie sich dafür?

Michael Potente: Dieser auch als Quieszenz bezeichnete Zustand ist erstaunlicherweise noch wenig verstanden. Traditionell hat sich das Feld mit Fragen des Blutgefäßwachstums beschäftigt: Wie entstehen neue Blutgefäße? Wie wachsen und differenzieren sie sich? Das war der Fokus der Arbeiten in der letzten Dekade. Hingegen sind die Moleküle und Signalwege, die den Ruhezustand von Gefäßen kontrollieren, kaum untersucht. Wir denken allerdings, dass es wichtig ist, diese Wege zu beleuchten, da Störungen hiervon weit verbreitete Herz-Kreislauf-Erkrankungen befördern. Man sollte auch nicht vergessen, dass das Wachstum von Blutgefäßen eine Ausnahme darstellt und die meisten Gefäße unseres Körpers über lange Zeit in Quieszenz verweilen.

Sie haben herausgefunden, wie dieser Ruhezustand erzeugt werden kann, können Sie uns Ihre Ergebnisse mit einfachen Worten erklären?

Michael Potente: Unsere Arbeiten befassen sich mit den Zellen der Gefäßinnenwand, den sogenannten Endothelzellen. Diese Zellen kann man sich als Dirigenten vorstellen, die die Funktion von Gefäßen orchestrieren. In dem ausgezeichneten Papier konzentrierten wir uns dabei auf ein Protein, von dem wir wussten, dass es für Quieszenz-Entstehung in diesen Zellen unerlässlich ist. Es handelt sich um den Transkriptionsfaktor FOXO1, der das Ablesen von Genen bewirkt. Als wir seine Aktivität veränderten, stellten wir verblüffende Veränderungen des Stoffwechsels fest. In Endothelzellen, die quieszent wurden, reicherten sich Stoffwechselprodukte an, die nicht der zellulären Energiegewinnung dienen, sondern in erster Linie die zelluläre Signalweitergabe und Genaktivität steuern. Unter diesen war vor allem das Stoffwechselprodukt S-2-Hydroxyglutarat auffällig, das sich am stärksten veränderte. In weiterführenden Analysen zeigte sich, dass S-2-Hydroxyglutarat nicht nur ein Marker des Ruhezustandes ist, sondern diesen auch begünstigt. So fanden wir heraus, dass S-2-Hydroxyglutarat die Aktivität von Signalwegen unterdrückt, die normalerweise die Teilung und das Wachstum von Endothelzellen antreiben.

Hat es Sie überrascht, dass normale Stoffwechselveränderungen dafür verantwortlich sind, dass Endothelzellen ruhen?

Michael Potente: Wenn man bedenkt, wie dynamisch der Stoffwechsel reguliert ist, so war das auf den ersten Blick schon überraschend. Auf den zweiten Blick ergibt es aber viel Sinn. So spielen Stoffwechselprodukte wie S-2-Hydroxyglutarat wichtige Funktionen in der Epigenetik, also der Beeinflussung der Genaktivität durch Umwelteinflüsse. Von S-2-Hydroxyglutarat ist bekannt, dass es die Aktivität bestimmter Eiweißmoleküle hemmt, die die Ablesbarkeit der Erbsubstanz (DNA) bestimmen. Veränderungen der S-2-Hydroxyglutarat-Konzentration, auch wenn sie kurzfristig sind, können somit längerfristige Veränderungen der Genexpression erzeugen. Ein weiterer interessanter Gesichtspunktpunkt ist die Fehlregulation des Ruhezustandes bei Störungen des Stoffwechsels. Die Zuckerkrankheit Diabetes mellitus zum Beispiel hat einen verheerenden Einfluss auf Blutgefäße, so dass diese häufig nicht mehr angemessen auf Wachstumssignale reagieren. Man könnte sich daher vorstellen, dass krankhaft erhöhte Blutzuckerspiegel über eine Fehlregulation des oben beschriebenen Mechanismus sich nachteilig auf das Gefäßsystem auswirken. Dies ist zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch spekulativ und bedarf weiterer Untersuchungen.

Und wenn dieser Ruhezustand gestört wird, kommt es zum Wachstum von Blutgefäßen, zum Beispiel, wenn der Körper wächst, wenn eine Wunde verschlossen werden muss, oder wenn ein neu gewachsener Tumor mit Nährstoffen versorgt werden muss. Kann man aus Ihren Erkenntnissen zum Ruhezustand auch etwas lernen für den Unruhezustand?

Michael Potente: Absolut. Natürlich sind das jetzt erstmal Grundlagen und wissenschaftliche Beobachtungen, die wir gemacht haben. In weiteren Untersuchungen müssen wir schauen, inwiefern diese Mechanismen auch bei Erkrankungen von Relevanz sind. Ich möchte noch einen weiteren wichtigen Punkt nennen. Der Verlust des Ruhezustands heißt nicht notwendigerweise: Wachstum von Blutgefäßen. Denn es gibt noch andere zelluläre Zustände, wie zum Beispiel die Seneszenz. Hierbei können Zellen nicht mehr reaktiviert werden und verweilen dauerhaft in einem Arrest. Und das ist zweifelsohne ein krankhafter Zustand, ein Zustand, wie er in vielen alternden Organen zu beobachten ist. Natürlich kann man sich vorstellen, unsere Erkenntnisse, auch auf krankhafte „Unruhezustände“ von Gefäßen anzuwenden. Zum Beispiel, indem man gezielt die Signalwege beeinflusst, bei denen S-2-Hydroxyglutarat entsteht. So ist es grundsätzlich denkbar, über das Ankurbeln von S-2-Hydroxyglutarat abnormales bzw. überschießendes Blutgefäßwachstum in Schach zu halten, wie es bei Tumoren zu beobachten ist. Das sind alles Ansätze, an denen wir aktuell arbeiten.

Um zu verstehen, welche Konsequenzen Ihre Erkenntnisse möglicherweise für die Medizin haben: Gibt es schon pharmazeutische Substanzen, die die S-2-Hydroxyglutarat-Bildung verändern können? Welche Ideen bzw. Ansätze verfolgen Sie auf diesem Gebiet?

Michael Potente: Das ist in der Tat eine hochinteressante Frage. Zum einen kann man die Bildung steigern, indem man ein bestimmtes Enzym in Mitochondrien, den Kraftwerken der Zellen, blockiert. Wir haben in unseren Untersuchungen festgestellt, dass die Inaktivierung dieses Enzyms zu einem selektiven Anstieg der S-2-Hydroxyglutarat-Spiegel führt. Und für die Hemmung dieses Enzym gibt es sogar schon in klinischer Erprobung befindliche Substanzen. Es ist also grundsätzlich denkbar, dass diese auch für Erkrankungen Anwendung finden, bei denen Gefäße krankhaft verändert sind. Eine andere Möglichkeit wäre, Enzyme zu beeinflussen, die S-2-Hydroxyglutarat abbauen. Darüber hinaus könnte man sich auch vorstellen, FOXO1 direkt zu beeinflussen. Dies stellt aber eine Herausforderung dar, da Transkriptionsfaktoren durch pharmakologische Substanzen typischerweise nicht direkt angreifbar sind. Aber auch das ist ein Themengebiet, an dem wir aktiv arbeiten.

Vielen Dank!