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Publikation

Loyal, L., Warth, S., Jürchott, K. et al. SLAMF7 and IL-6R define distinct cytotoxic versus helper memory CD8+ T cells. Nat Commun 11, 6357 (2020). https://doi.org/10.1038/s41467-020-19002-6

Abstract

The prevailing ‘division of labor’ concept in cellular immunity is that CD8+ T cells primarily utilize cytotoxic functions to kill target cells, while CD4+ T cells exert helper/inducer functions. Multiple subsets of CD4+ memory T cells have been characterized by distinct chemokine receptor expression. Here, we demonstrate that analogous CD8+ memory T-cell subsets exist, characterized by identical chemokine receptor expression signatures and controlled by similar generic programs. Among them, Tc2, Tc17 and Tc22 cells, in contrast to Tc1 and Tc17 + 1 cells, express IL-6R but not SLAMF7, completely lack cytotoxicity and instead display helper functions including CD40L expression. CD8+ helper T cells exhibit a unique TCR repertoire, express genes related to skin resident memory T cells (TRM) and are altered in the inflammatory skin disease psoriasis. Our findings reveal that the conventional view of CD4+ and CD8+ T cell capabilities and functions in human health and disease needs to be revised.

Interview

Was ist der Unterschied zwischen CD4- und CD8-T-Zellen?

Lucie Loyal: Diese Zellen haben unterschiedliche Funktionen im Immunsystem. Die CD8-T-Zellen erkennen den MHC-I-Rezeptor auf allen Körperzellen und sind dafür verantwortlich zu erkennen, wenn diese Körperzellen infiziert sind und können diese dann mit sogenannten zytolytischen Molekülen direkt abtöten. Die CD4-Zellen wiederum erkennen nur die MHC-II-Rezeptoren auf sogenannten antigenpräsentierenden Zellen und werden dadurch aktiviert. Dadurch können sie zum einen die antigenpräsentierenden Zellen zurückkoppelnd stärker aktivieren, aber sie können auch B-Zellen aktivieren, was wiederum dazu führt, dass die Antikörperantwort geschärft wird.

Die CD4 T-Zellen werden auch Helferzellen genannt und die CD8 T-Zellen Killerzellen. Wie kamen Sie darauf, diese Einteilung infrage zu stellen?

Andreas Thiel: Wir haben schon vor langer Zeit festgestellt, dass man CD4 Helferzellen, die gegen ein bestimmtes spezifisches Antigen spezifisch sind, erkennen kann, weil sie auf ihrer Oberfläche den CD40 Liganden ausprägen. Die nichtspezifischen Zellen machen das nicht, nur die spezifischen. Und dann haben wir irgendwann festgestellt: Es gibt ein paar CD8-Zellen, die das komischerweise auch machen. Und dann stellte sich die Frage: Was steckt dahinter, dass das Prototypmolekül für T-Zell-Hilfe, nämlich der CD40 Ligand, plötzlich auf den Zellen ausgeprägt wird, die dafür bekannt waren, dass sie killen, andere Zellen abtöten können. Und so um 2007 konnte man ganz klar zeigen: Jeder von uns hat 10, 20 Prozent CD8-T-Zellen, die helfen können, und er hat aber auch ein paar CD4-T-Zellen, die killen können.

Ist es denn trotzdem so, dass die CD4-T-Zellen hauptsächlich Helfer sind und die CD8 T-Zellen hauptsächlich Killer?

Lucie Loyal: Ja, absolut. Es dominiert weiterhin die Helfer-Fraktion bei den CD4-T-Zellen und es dominiert die zytotoxische Fraktion in den CD8-T-Zellen, die auch zu der früheren Lehrbuchmeinung geführt hat. Aber wenn man mit den modernen Methoden etwas genauer in die Materie einsteigt, sieht man, dass es nicht so Schwarz-Weiß ist.

Andreas Thiel: Es gibt da noch gutes Beispiel aus der aktuellen Forschung, das ist aber noch nicht zu Ende verstanden. Bei SARS-CoV-2-Infektionen, bei den Verläufen in Krankenhäusern, nicht nur den ganz schweren, sondern auch allgemein den Patienten, die ins Krankenhaus müssen, hat man schon relativ früh festgestellt, dass es vermehrt CD4-T-Zellen gibt, die zytotoxisch sind.

Lucie Loyal: Wir müssen vor allem im Laborbereich, wenn wir uns Virusantworten anschauen wollen, nicht mehr wie bisher immer nur die CD8-T-Zell-Seite analysieren, weil CD8-Zellen eben virusinfizierte Zellen töten können, sondern wir müssen in Zukunft diese zytotoxischen CD4-T-Zellen mit in die Kalkulation aufnehmen. Auf der anderen Seite zeigt die Datenlage, dass die sogenannten Helfer-CD8-T-Zellen bei verschiedenen Autoimmunerkrankungen auftreten oder auch bei der Immunität der Haut, so dass wir hier wegkommen müssen von der reinen Analyse der CD4-T-Zellen und auch die CD8-T-Zellen mit in die Rechnung aufnehmen müssen bei unseren Analysen.

Inwiefern können Ihre Ergebnisse dazu beitragen, dass vielleicht in fünf bis zehn Jahren neue Medikamente entwickelt werden könnten, gegen Infektionen und oder Autoimmunerkrankungen?

Lucie Loyal: Wir haben starke Hinweise, dass die Helfer-CD8 T-Zellen bei Psoriasis eine negative Rolle spielen können. Auf der anderen Seite müssen wir im Hinterkopf behalten, dass sie eventuell positive Effekte auf Wundheilungsprozesse haben können, somit eine T-Zell-supprimierende Medikation eventuell nachteilig sein könnte. Auf der anderen Seite müssen wir die zytotoxischen CD4-T-Zellen mit analysieren, wenn wir uns virale Infektionen wie jetzt SARS-CoV-2 anschauen. Sie sind unter Umständen ein relevanter Bestandteil einer breiten Immunantwort.

Andreas Thiel: Diese CD40- Ligand-CD40-Achse, die zentral für die Ausübung der T-Zell-Hilfe ist, ist sehr lange bekannt, ich schätze mal 30 Jahre. Eine Mutation in diesem Signalweg führt zum sogenannten Hyper-IgM-Syndrom, also die Kinder, bei denen das festgestellt wird, können keine reifen Antikörper herstellen und das ist dann ein großes Problem. Das zeigt auf, dass es sehr schwierig sein wird, gezielt in diesen Stoffwechselweg einzugreifen, weil er so unglaublich potent ist. Also es ist auch ein gefährliches Molekül.

Es gibt ja aktuell die Diskussion, ob Antikörper-Titer den Impfschutz adäquat wiedergeben oder ob man nicht besser Gedächtniszellen messen sollte?

Andreas Thiel: Ja, die Gedächtniszellen sollten mit betrachtet werden. Antikörper-Titer, das ist eine Effektorfunktion des Immunsystems. Und meine ganz persönliche Meinung dazu ist, sie wird sehr stark überbewertet in Bezug auf „das muss ich haben, um geschützt zu sein“, weil das wirklich nur ein Teil der Wahrheit ist.

Lucie Loyal: Ja, wir sehen das jetzt an Omikron zum Beispiel, das an sehr vielen Epitopen mutiert ist, wodurch die Antikörperantwort nach aktuellen Daten drastisch eingebrochen ist, die T-Zellseite hingegen basiert auf so vielen Epitopen, also Bestandteilen von dem Virus, dass sie dennoch robust sein wird, das ist unsere Hypothese.

Andreas Thiel: Die Antwort mit neutralisierenden Antikörpern, die zu einer sterilen Immunität führt, also dass Leute nicht mehr infiziert werden können, ist absolut kurzlebig, vor allen Dingen, weil das eine mukosale Infektion, das heißt, an den Schleimhäuten, den mukosalen Oberflächen. Das ist ganz normal, nichts anderes ist zu erwarten. Die Antikörperantwort wird gemacht von B-Plasmazellen, und dann gibt es noch die Gedächtnis-B-Zellen. Die Antikörper, die die Plasmazellen produzieren, sind hochspezifisch gegen die aktuellste Virus-Variante gemacht. Die B-Zellen, aus denen die Antikörper entstanden sind, sind nicht weiter gereift, sondern warten eigentlich auf den nächsten Challenge, die nächste Variante, um dann gegen Mutationen reifen zu können, sich anpassen zu können. Und das ist das unglaublich Coole am Immunsystem: Die meisten Viren werden mutieren können, aber das Immunsystem bereitet sich darauf vor, indem es sagt: Okay, ich mache jetzt ein paar Antikörper, die sehr gut passen für die aktuelle Herausforderung, aber das eigentliche Gedächtnis bleibt vorbereitet darauf: Was kommt als Nächstes? Und wenn eine neue Variante kommt, die ein bisschen mehr mutiert ist, dann können die neuen Plasmazellen, die dann aus den Gedächtniszellen entstehen, sich daran anpassen und dann wieder die nächste Herausforderung bekämpfen. Und wenn das Immunsystem das nicht machen würde, hätten wir gegen Erreger eigentlich keine Chance.

Und bei diesen Vorgängen spielen aber diese Sonderformen, also die T8-Helferzellen und die T4-Killerzellen, keine Rolle oder doch auch?

Andreas Thiel: Wir denken, von unseren Daten her, würden die CD8-T-Helferzellen da weniger eine Rolle spielen, weil die auch weniger mit mukosaler Immunität gegen Viren zu tun haben. Vielleicht spielen die zytotoxischen CD4-T-Zellen eine größere Rolle, das wissen wir aber nicht.

Lucie Loyal: Wir haben uns in der Vergangenheit einige virale Immunantworten angeschaut und da keine nennenswerte Rolle dieser Zellen gesehen, von daher sind wir von Anfang an nicht davon ausgegangen, dass sie eine Rolle spielen in SARS-CoV-2.

Ist es schwierig, eine Arbeit, die gängiges Wissen infrage stellt, zu publizieren?

Andreas Thiel: Oh ja, absolut. Das hat Marco Frentsch, der als Erster die CD40L bildenden CD8 T-Zellen beschrieben hat, mehrmals erfahren, dass er die Arbeit eingereicht hat, in sehr guten Journalen, und einer der Gutachter sie als absolut nicht relevant beurteilt oder die Daten infrage stellt. Das erfahren sicherlich viele andere Wissenschaftler auch, wenn es auch nur ein bisschen gegen eine Standardmeinung geht, ja, dann kann man ganz schön auflaufen.

Lucie Loyal: Wir haben ja auch zwei Jahre gebraucht, um das hier ausgezeichnete Paper durchzukriegen. Teilweise sind wir in der Revision gewesen und dann hat letzten Endes ein Reviewer sich trotzdem nicht überzeugt gezeigt, und wir dann wieder in die nächste Runde gehen mussten, bei einem anderen Journal. Es war ziemlich anspruchsvoll.

Erhalten Sie jetzt Meldungen von anderen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, dass sie diese Zellen auch finden, werden Ihre Ergebnisse bestätigt oder widerlegt oder überhaupt überprüft?

Lucie Loyal: Es hat sich noch nicht so durchgesetzt in der Community, es sickert langsam ein, aber SARS-CoV-2 ist das absolut dominierende Thema im Moment auf der T-Zellbasis, da kommt ansonsten gar nicht mehr so viel an Publikationen heraus.

Andreas Thiel: Das Spielchen ist ganz einfach. Wenn man bei SARS-CoV-2 diese Zellen entdeckt hätte, dann würde sie jetzt jeder verstehen, jeder akzeptieren, die Textbücher wären umgeschrieben worden. Das Komische ist manchmal in der Wissenschaft: Es gibt etwas Herausragendes und es wird einfach nicht beachtet.

Wie geht es jetzt weiter mit Ihren Forschungen, was sind die nächsten Vorhaben, was wollen Sie machen mit diesen Sonderlingen unter den T-Zellen?

Lucie Loyal: Was wir auf jeden Fall wissen wollen, ist, wie diese Zeilen entstehen. Wir sehen bisher einfach nur, dass diese Zellen existieren. Wir haben zeigen können, dass sie Ähnlichkeit haben mit den CD8-T-Zellen der Haut, aber wo genau sie entstehen, unter welchen Bedingungen ist nicht geklärt. Und wir möchten auch gerne experimentell abbilden, was denn ihre Funktion ist, in der Haut oder ob sie noch anderswo im Körper eine signifikante Rolle spielen. Das wären unsere nächsten großen Projekte.

Vielen Dank für das Gespräch!