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Die meisten Erkrankungen haben einen polygenen Hintergrund: Viele verschiedene Gene sind involviert und spielen – in bislang kaum verstandener Weise – zusammen. Schon kleinste Veränderungen in den relevanten Genen können das Krankheitsrisiko erhöhen. Und genau da will Maik Pietzner mit seinem Forschungsprojekt GenDrug ansetzen, für das er jetzt den ERC-Starting Grant erhalten hat.

Methodisch ein Quantensprung

„Es gibt hunderte von häufigen – oft chronischen – Krankheiten, für die bislang keine wirklich guten Medikamente zur Verfügung stehen. Mit GenDrug möchten wir dazu beitragen, die Situation der betroffenen Patienten zu verbessern“, erklärt Maik Pietzner. Während vor allem Krankheiten mit hoher Sterblichkeit wie etwa Krebserkrankungen intensiv erforscht werden, führen Krankheiten mit weniger spektakulären Verläufen nicht selten eine Art Schattendasein. In ihre Erforschung und die Entwicklung wirksamer Medikamente wird weit weniger investiert – und das obwohl auch diese Erkrankungen die Lebensqualität im Alltag erheblich einschränken.

„Auf solchen oft vernachlässigten Erkrankungen liegt unser Fokus“, so Maik Pietzner. „Unser Ziel ist, krankheitsspezifische kleine Veränderungen in den Genen und damit Zielstrukturen für innovative Medikamente zu finden. Dabei werden wir neue Wege beschreiten: Wir werden Erkenntnisse der Genomsequenzierung mit elektronischen Gesundheitsdaten verknüpfen und unter Verwendung künstlicher Intelligenz nach bislang unbekannten Zusammenhängen zwischen Genetik und Krankheitsmanifestation suchen – Zusammenhängen, die richtungsweisend bei der Entwicklung neuer Medikamente sein könnten.“

Die Verfügbarkeit elektronischer Gesundheitsdaten eröffnet erstmals die Möglichkeit, an Millionen von Menschen Erkrankungen systematisch und ökonomisch zu erforschen. „Wir gehen davon aus, dass sich bei Sichtung der riesigen Datenpools genetische Signaturen herauskristallisieren, die für bestimmte Krankheiten typisch sind“, so Maik Pietzner. „Unsere Computerprogramme sind in der Lage, in einer – für uns ohne KI-Support nicht zu bewältigenden – Datenfülle Muster zu erkennen und sichtbar zu machen. Methodisch ist das ein Quantensprung.“

In den Genen sind Informationen für die Herstellung von Eiweißstoffen (Proteine) hinterlegt. An diesen Genprodukten sind Maik Pietzner und seine Mitarbeiter*innen besonders interessiert. Denn Proteine, die man bei bestimmten Erkrankungen gehäuft oder in ihrem Bauplan verändert findet, könnten Ansatzpunkte für eine innovative Therapie sein. Oder aber die neu gewonnenen Erkenntnisse über Risikogene und ihre Genprodukte untermauern bereits vorhandene Therapieansätze und bieten die Chance, diese weiterzuentwickeln – auch das wäre ein Zugewinn.

Erste interessante Kandidaten

Beim Raynaud-Syndrom ist man bereits fündig geworden: Wissenschaftler*innen der BIH-Arbeitsgruppe „Computational Medicine“ entdeckten zwei Gene, die das Risiko für diese relativ häufige, aber wenig erforschte Erkrankung um mehr als 20% erhöhen. Etwa 2 bis 5% der Bevölkerung – Frauen häufiger als Männer – leiden am Raynaud-Syndrom, bei dem sich die kleinen Blutgefäße in Fingern oder Zehen mehrmals am Tag krampfartig verschließen, was mit Taubheitsgefühl und Schmerzen verbunden ist. Die neu entdeckten Gene und ihre Genprodukte sind nachweislich daran beteiligt. Medikamente, die diese beiden Proteine in ihrer Wirkung hemmen, scheinen deshalb geeignet, die belastenden Symptome des Raynaud-Syndroms deutlich zu lindern.

Innovationsschub bei vielen Krankheiten erhofft

Doch das ist erst der Anfang, so Maik Pietzner. „Wir hoffen, mit den im Rahmen von GenDrug bereitgestellten Big Data einen Innovationsschub anstoßen und auf diesem Wege die therapeutischen Möglichkeiten bei einer Vielzahl von Krankheiten entscheidend verbessern zu können.“

Über den ERC-Starting Grant

Die Gutachter*innen des Europäischen Forschungsrates suchen nach ungewöhnlichen Ansätzen, die – sofern sie funktionieren – Türen aufstoßen und erheblichen Fortschritt ermöglichen können („high risk, high reward“). Die Kandidat*innen müssen seit ihrer Promotion zwei bis sieben Jahre Erfahrung gesammelt haben und vielversprechende wissenschaftliche Erfolge vorweisen können. GenDrug: Grant Agreement n° 1010xxxxx

Konstanze Pflüger

Leitung Stabsstelle Kommunikation und Pressesprecherin

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