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Interviewpartnerin

Professorin Beate Kampmann, Leiterin des Zentrums für Global Health und des Instituts für Internationale Gesundheit der Charité – Universitätsmedizin Berlin

Transkript des Podcasts

Seltmann: Herzlich willkommen zum BIH-Podcast „Aus Forschung wird Gesundheit“, dem Podcast aus dem Berlin Institute of Health in der Charité, dem BIH. Wir beantworten in diesem Podcast Fragen zur Gesundheit und berichten gleichzeitig über Aktuelles aus der Gesundheitsforschung. Mein Name ist Stefanie Seltmann.

Heute bin ich zu Gast bei Einstein-Professorin Beate Kampmann, die in der Charité das neue Zentrum für Global Health und das Institut für Internationale Gesundheit leitet. Sie beschäftigt sich beruflich unter anderem mit Pandemien, auch mit der Corona-Pandemie. Guten Tag, Frau Professor Kampmann.

Kampmann: Guten Tag und herzlichen Dank für die Einladung zu diesem Podcast.

Seltmann: Frau Prof. Kampmann, ist die Corona-Pandemie vorbei?

Kampmann: Ja, das würden sich alle sehr, sehr, sehr wünschen, aber so kann man es dann halt auch nicht sehen. Obwohl die WHO natürlich die pandemische Phase als abgeschlossen erklärt hat, sehen wir nach wie vor auch Fälle, und das Virus hat sich schon in unserer Bevölkerung etabliert. Jetzt können wir mehr von einem endemischen als von einem pandemischen Virus reden. Aber es ist wichtig, dass wir nicht vergessen, dass diese Infektion nach wie vor existiert und dass wir die Leute schützen, die diesen Schutz besonders brauchen. Das sind nämlich die mit den Risikofaktoren. Und da haben wir natürlich jetzt die Impfstoffe, und das ist schon ein Riesenvorteil.

Seltmann: Die Impfstoffe spielen eine große Rolle bei der Bewältigung einer Pandemie. Es sind fast alle Erwachsenen geimpft, in Deutschland zumindest. Wie sieht das mit der nachkommenden Generation aus? Muss man eigentlich jetzt auch alle Neugeborenen oder Kleinkinder impfen, damit das Coronavirus gar nicht erst wieder richtig Fuß fassen kann?

Kampmann: Davon auszugehen, dass wir das Coronavirus ausrotten können durch die Impfungen, das kann man eigentlich abschreiben, weil diese Corona-Viren einfach weiter zirkulieren-davon kriegen wir jedes Jahr eine Schnupfnase, und diese neue Variante in der Form von Sars-CoV-2  wird sich auch bei uns weiter ausbreiten. Und ob man da die Kinder schützen muss, ist noch eine ganz andere Frage, denn die Immunität, die man durch die Corona-Impfung induziert, bleibt ja nicht fürs ganze Leben. Da ist mehr die Frage, dass man die Leute schützen muss, die schwere Auswirkungen von dem Krankheitsverlauf hätten, und das sind in der Regel eher die Älteren. Es gibt noch keine Impfstoffe für Neugeborene. Das halte ich auch nicht für die Zielgruppe, mit der wir uns befassen müssen. Als Kindermedizinerin habe ich natürlich auch Fälle von COVID bei Kindern gesehen, aber in der Regel sind die alle sehr, sehr mild verlaufen. Und ich glaube, da haben wir ein paar andere Prioritäten.

Seltmann: Das heißt, wenn sich die Kinder mit Coronaviren infizieren, werden die wahrscheinlich nicht schwerkrank werden und dann einen vielleicht sogar noch besseren Immunschutz aufbauen, als wenn sie geimpft würden?

Kampmann: Ja, wir haben ja auch gelernt, dass im Prinzip, was wir Heterologenimmunität nennen, nämlich eine Kombination aus Impfschutz und natürlicher Infektion, eigentlich der beste Schutz ist, den unser Immunsystem aufbauen kann. Und damit ist wahrscheinlich die gewisse Zirkulation von den Coronaviren in der Gesellschaft gar nicht so ein Nachteil.

Seltmann: Könnte sich denn eine neue Pandemie mit dem Coronavirus nochmal aufbauen?

Kampmann: Das kann man nicht ausschließen. Wir haben ja gesehen, dass bestimmte Varianten der Viren oder dieses SARS-CoV-2-Virus sich in einer bestimmten Form verbreitet haben, auch mit ganz unterschiedlichen Krankheitsbildern. Die Delta-Welle hat uns viel mehr Sorge gemacht als die Omicron-Welle, obwohl es viel mehr Fälle von Omicron gab. Und somit müssen wir diese Überwachungssysteme, die wir ja etabliert haben, auch weiterhin haben und benutzen. Und das ist wichtig, dass wir das immer auch als ein internationales Problem sehen. Denn ich sage immer: Viren haben keine Pässe. In der Regel wird uns erst auch klar durch die Krankheitsausbildung, welche neuen Varianten uns da wirklich auch Kopfschmerzen machen können. Denn die meisten Erkenntnisse sind nicht aus dem Labor gewonnen, sondern wirklich von den Klinikern, die ja an der sozusagen Frontline gesehen haben, welche Varianten auch welche Krankheitsbilder erzeugt haben. Und deshalb müssen wir auch mit der klinischen Seite und der Versorgungsseite zusammenarbeiten.

Seltmann: Wir haben eben schon gesagt, die Impfquote in Deutschland oder in westlichen Ländern ist wahrscheinlich relativ hoch. Da sind die ganz großen empfindlichen Gruppen vielleicht schon geschützt. Aber wie sieht das in anderen Ländern aus, in afrikanischen Ländern, in asiatischen Ländern, in südamerikanischen Ländern? Findet dort denn auch so eine Überwachung statt?

Kampmann: Die Unterschiede im Gesundheitswesen haben sich natürlich auch in Unterschiede von Corona-Ausbreitung und Schutz ganz klar dargestellt. Da sind jede Menge Dinge zu verbessern. Wir haben nicht so hohe Impfquoten in - wenn ich das mal Low and Middle Income Countries nennen darf, wie wir hier in Europa und auch in Nordamerika erzielt haben. Wobei sich die Krankheitsbilder auch teilweise etwas unterschiedlich ausgebildet haben. Ich habe ja selber während der Zeit viel in Afrika gearbeitet, wo wir durch die andere Struktur der Bevölkerungspyramide nicht so viele schwere Fälle gesehen haben. Die Bevölkerung ist durchaus jünger in Afrika. Auf der anderen Seite war es ein anderes Problem in Indien auch. Da spielen dieselben kardiovaskulären Risikofaktoren, wie wir sie auch in Deutschland gesehen haben, eine Rolle. In Brasilien genauso. Da müsste eigentlich der Schwerpunkt nach wie vor darauf liegen, die Personen besonders zu schützen, die eben durch schwere Risikofaktoren schon vorbelastet sind. Und dafür steht mittlerweile durch die internationalen Initiativen der Impfstoff auch zur Verfügung. Der muss dann halt nur eingesetzt werden.

Seltmann: Passiert das?

Kampmann: Das hängt ein bisschen von der Gesundheitspolitik in den individuellen Ländern ab. Das Problem ist natürlich immer: Wenn viel Erkrankung da ist, dann ist viel Leidensdruck, und dann sind die Leute aufmerksam, auch Gesundheitssysteme aufmerksam für diese Problematik. Wenn jetzt so das Gefühl ist: Ach, Corona ist eigentlich vorbei, dann geht natürlich diese Aufmerksamkeit ein Stück zurück. Dann muss man die Bevölkerung wieder erneut mobilisieren. Aber man muss dann diese Impfstoffe in Routinesysteme etablieren, sodass es nicht immer auf eine Notfallsituation hinausläuft, sondern dass man da präventiv tätig sein kann. Wie das dann umgesetzt und eingesetzt wird, das hängt ein bisschen vom Supply der Impfstoffe ab. Das hängt davon ab, ob die Bevölkerung sich überhaupt impfen lassen möchte. Die Risikofaktoren müssen mittlerweile auch etwas anders eingeschätzt sein, weil natürlich in Low and Middle Income Countries viele Leute durch eine natürliche Infektion mittlerweile einen gewissen Schutz haben. Und ich glaube, es wird wahrscheinlich wie üblich dazu kommen, dass erst mal wieder der Drache sein ugly head aufzeigen muss, bevor man wieder darauf aufmerksam wird. Auf der anderen Seite haben wir ja was gelernt, und es wäre auch schade, wenn man das immer erst wieder auf Notfälle anwenden müsste.

Seltmann: Im Moment spricht man viel von Long Covid. Es gibt sehr viele Menschen, die darunter leiden. Für wie gravierend halten Sie das Problem?

Kampmann: Für die Leute, die längerfristige Folgen von Covid haben, ist das Problem sehr gravierend. Die Definition dieses Syndroms, muss man ja sagen, weil es nicht nur ein einheitliches Krankheitsbild ist, ist noch sehr unspezifisch. Es gibt Leute mit Long Covid, die haben primär neurologische Ausfälle. Es gibt Leute, die haben kardiovaskuläre Probleme. Es gibt Leute, die haben psychosomatische Probleme. Das sind alles wirkliche Probleme. Viele dieser Erscheinungen legen sich nach einer gewissen Zeit, das haben wir schon gesehen. Auch bei Kindern haben wir ja auch Long Covid erfahren. Da gibt es jetzt auch Studien, da bin ich mehr vertraut als bei den Erwachsenen, wo nach drei oder vier Monaten die Symptomatik dann auch einfach wieder weg war. Da ist viel einfach auch Begleiterscheinung von dem, was Leute während der Coronazeit erlebt haben. Aber dass die Leute da wirklich unter Symptomatik leiden, kann nicht bestritten werden. Und da müssen wir Wege der Therapie und der Diagnostik auch aufmachen, die wir bisher noch nicht beschritten haben.

Seltmann: Wenn jetzt die Corona-Pandemie vielleicht auf so einem Art Plateau angekommen ist, wo das Virus endemisch geworden ist, sehen Sie denn am Horizont möglicherweise schon eine neue Pandemie sich heranpirschen?

Kampmann: Das kann man nie ausschließen. Wobei ich jetzt ganz wichtig finde, dass wir nicht jetzt von einer Panikphase direkt in die nächste rennen, weil wir jetzt auch als Population und Gesellschaften in allen Lagen eigentlich erst mal eine Phase brauchen, wo wir uns auch ein Stückchen von dem erholen können, was jetzt gerade passiert ist. Und deshalb wäre es schade, wenn Leute jetzt schon wieder in so einer Furcht und Angst leben, was jetzt als Nächstes passiert. Was wichtig ist, ist, dass wir die Ansätze der Überwachung, die wir ja gelernt haben auch mit Corona, weiterhin konsolidieren und da einfach auch weiter gucken. Aber ich glaube, zurzeit müssen wir uns jetzt nicht irgendwie in so eine Situation begeben, dass dieses oder jenes Virus uns nächste Woche ins Genick springt. Es gibt genug Leute, die sich zurzeit mit diesen Überwachungen auch beschäftigen, und das hat man als längere Perspektive. Da gibt es ganz andere Situationen, wie zum Beispiel der Klimawandel, der uns ja auch im Nacken sitzt. Deshalb würde ich da irgendwie auch nicht speziell Panik Buttons pressen wollen.

Seltmann: Gerade aber der Klimawandel führt doch sicher auch dazu, dass sich vielleicht Erreger, die sich eben im wärmeren Gefilde normalerweise wohlfühlen und aufhalten, jetzt auch so langsam Richtung Norden und auch zu uns aufmachen.

Kampmann: Klar, das ist ganz richtig. Das West-Nil-Virus ist ein Beispiel dafür natürlich. Aber es geht da auch um Vektoren. Es geht da um die Wasserversorgung. Es geht da um Salmonellen. Es geht da um alle möglichen Erreger, die ja auch die höheren Temperaturen dann lieber haben. Wir müssen uns einfach so gut es geht auf solche Situationen einstellen, vorbereiten und auch versuchen, dagegen etwas zu unternehmen.

Seltmann: Was könnte man da unternehmen?

Kampmann: Das ganze Thema Klimawandel ist ein Riesenteil, da bin ich auch nicht die Expertin. Aber wir müssen natürlich sehen, dass wir die internationalen Grenzwerte, die jetzt da ja auch lange verhandelt und gesetzt sind, einhalten und dass wir Städte und Wohnansiedlungen, die sich eben nah am Wasser zum Beispiel befinden, schützen vor Überflutungen und dass wir Hitzeschutzmaßnahmen (erreichen?) können. die Liste ist total lang, und jede Person muss sich individuell darum kümmern. Also ich bin durchaus da auch sehr ökologisch eingestellt. Ich finde heute kann man sich überhaupt nicht mehr über Gesundheit unterhalten, ohne sich nicht auch im Rahmen des Klimaschutzes bewegen zu müssen. Deshalb ist ganz wichtig, dass die Organisationen sich auch da solidarisieren und zusammenarbeiten.

Seltmann: Es gibt auch bestehende Pandemien, die vielleicht in Deutschland nicht so wahrgenommen werden, wie etwa die Tuberkulose, die nach wie vor Millionen Menschen betreffen. Werden da eigentlich ähnliche Anstrengungen unternommen wie gegen das Coronavirus?

Kampmann: Das ist eine ganz wichtige Frage, weil was wir ja bei Corona gesehen haben, ist, dass plötzlich, weil es so ein internationaler Notfall war, ganz viele Ressourcen plötzlich mobilisiert werden konnten für Diagnostik, für Impfstoffe, für allgemeinen Bevölkerungsschutz, die uns genauso wichtig wären im Kontext zum Beispiel von Tuberkulose, was eines meiner Forschungsthemen ist. Wir haben durch die Pandemie sehr viel Grund verloren eigentlich in der Erkennung der Fälle, weil natürlich gewisse Gesundheitssysteme auch nur gewisse Kapazitäten haben und dadurch Dinge durch das Netz gefallen sind, die wir eigentlich hätten auffangen müssen. Tuberkulose ist eines der Beispiele. Die Zahlen sind deutlich zurückgegangen von den aktiven Fällen, die da gefunden sind. Das heißt nicht, dass die Erkrankung weniger geworden ist, sondern dass wir einfach mit den Systemen überfordert waren, die weiterhin, auch so lückenhaft sie schon sind, so zu erfassen, wie das eigentlich vorher der Fall war. Und wenn wir solche Gelder zur Verfügung hätten, wie zum Beispiel für eine Impfstoffentwicklung für Tuberkulose, wären wir da wesentlich weiter. Masern ist noch ein zweiter Fall. Da sehen wir gerade auch in England einen großen Anstieg an Fällen von Masern, weil einfach Kinder, die geimpft hätten werden sollen während der Pandemie, diese Impfungen nicht bekommen haben aus logistischen oder anderen konzeptionellen Gründen. Das ist auch noch ein Thema, da sind über 200 Millionen Kinder in der Welt, die einfach keine Masernimpfung während der Pandemie bekommen haben. Und bei Masern können wir uns auch nicht davor verstecken, dass das ein schweres Krankheitsbild sein kann, besonders im Zusammenhang mit immunkompromittiertenPatienten oder Leuten, die eben einen schwachen Ernährungszustand haben. Da gibt es noch ganz andere Infektionen, die sich ganz schnell auch wieder ganz schwer ausbreiten können, wo auch neue Pandemien entstehen können.

Seltmann: Aids ist auch so ein Beispiel. Da gibt es ganz gute Medikamente, mit denen man das Leben ganz gut gestalten kann. Aber ein Impfstoff ist nach wie vor nicht in Sicht. Ist das auch so ein bisschen aus der Sicht geraten, oder warum nimmt man das nicht mehr so richtig ernst?

Kampmann: HIV ist wirklich ein Thema, wo sich in den letzten 20, 30 Jahren so viel ergeben, verändert hat. Es ist von einer Erkrankung, die wirklich die Leute früher ja zum Tode verurteilte, zu einer mehr oder weniger chronischen Erkrankung geworden, vielleicht sogar mit Diabetes oder kardiovaskulären Erkrankungen vergleichbar. Ich will das gar nicht unterschätzen, denn die Patienten sind natürlich nach wie vor in ihrer ganzen Lebensweise beeinträchtigt. Aber durch den Einsatz und auch die Availability der sehr, sehr guten Medikamente, die da erforscht wurden, hat sich das Krankheitsbild völlig gewandelt. Was nach wie vor ein Riesenteil ist, ist, dass die Ansteckungsgefahr in vielen Ländern nach wie vor sehr hoch ist, insbesondere für junge Frauen, dass wir nach wie vor in Schwangerschaftsberatungen bis zu 40 Prozent Neuinfektionen sehen in manchen Ländern und dass da in dem Präventionsbereich noch sehr, sehr viel mehr getan werden muss. Und da wäre natürlich auch ein Impfstoff super angesiedelt. Das Problem ist nur, dass ein Impfstoff gegen HIV sich als sehr hartnäckig und schwierig zu entwickeln gezeigt hat, genauso wie Tuberkulose oder Malaria.

Seltmann: Ihr Institut heißt Institut für Internationale Gesundheit. Unterstützt wird es durch den Bereich Global Engagement, der in Kooperation mit dem World Health Summit sowie nationalen und internationalen Partnern strategische Initiativen für die globale Gesundheit bahnen und vorantreiben soll. Was genau sind denn da Ihre Pläne?

Kampmann: Ich habe ja diese sehr interessante Aufgabe jetzt hier im Januar übernommen, und die ist auch so ein bisschen eine Doppelaufgabe. Das eine ist die Leitung des, was früher Tropeninstitut hieß, das jetzt das Institut für Internationale Gesundheit ist. Das ist sehr stark auf Patientenversorgung und auch auf Reisemedizin ausgerichtet. Da habe ich ein exzellentes Team von Klinikern und auch Leute, die internationale Forschung machen. Das hat einen ganz wichtigen Platz hier auch in Berlin für die Versorgung der Leute, die außerhalb unterwegs sind, und für die Rückkehrenden, die vielleicht irgendwelche sogenannten Tropenkrankheiten sich eingefangen haben. Das ist ganz wichtig, dass wir diesen Versorgungsanspruch auch leisten können. Das Center for Global Health ist eine neue Institution, die auch das Institut für Virologie hier mit Prof. Drosten einschließt, und den Bereich Global Engagement, wo, wie Sie schon sagten, der World Health Summit sehr wichtig ist. Und was klasse ist: dass ich hier in meinen ersten sechs Monaten wirklich sehr viele Leute und Forscher in ihren einzelnen Gruppen hier innerhalb der Charité kennengelernt habe, die in Global Health auch unterwegs sind mit interessanten Projekten, zum Beispiel zum Thema Noncommunicable Diseases, zum Thema Mental Health, zum Thema Data Science, und wo ich schon unheimlich viel gelernt habe über die Breite, wie die Charité hier in Global Health aufgestellt ist. 

Seltmann: Frau Prof. Kampmann, Sie haben lange in England gelebt, deswegen benutzen Sie auch manche englischen Begriffe. Ich möchte das hier mal kurz übersetzen. Sie haben gesprochen vonNoncommunicable Diseases. Das sind die nichtübertragbaren Erkrankungen, also nicht die Infektionskrankheiten. Dazu zählen Krebs und Herz-Kreislauf und Diabetes, die eigentlich als Zivilisationskrankheiten gelten, aber mittlerweile eben doch auch global von Bedeutung sind. Gerade in den Low and Middle Income Countries, die Sie vorhin auch auf Englisch genannt haben, also die eher nicht weit entwickelten Länder, ist es ja nicht so weit her mit Medikamenten für all diese Erkrankungen. Müsste man da nicht viel mehr auch in die Prävention stecken?

Kampmann: Ganz klar, Prävention ist, the Key also der Schlüssel. Es ist einfach der Weg vorwärts. Das ist aber genauso für Deutschland der Fall. Natürlich, sind wir hier in Deutschland viel besser aufgestellt mit der Diagnostik. Wir sind viel besser aufgestellt auch mit der Therapie. Das heißt aber nicht, dass wir die Prävention hier besser verstanden haben, muss ich ehrlich sagen, wenn ich mir das hier so angucke. Im Ausland ist es sowohl mit der Diagnostik als auch mit den Medikamenten eine ganz andere Situation. Und da ist auch die Erkenntnis der Risikofaktoren noch nicht so ganz in die Bevölkerung vorgedrungen, weil natürlich Generationen von Menschen dort aufgewachsen sind mit der ersten Gefahr der Infektionskrankheiten und das sich erst in den letzten zwei, drei Generationen eben zu dieser chronischen Geschichte auch entwickelt hat. Und da gibt es noch ganz viel zu tun. Ob man da nun all die Medikamente braucht, die uns hier in Deutschland zur Verfügung stehen, ist noch fraglich, aber das ist genauso ein globales Problem wie Vektorerkrankungen auch.

Seltmann: Und kann man vielleicht aus den Präventionsanstrengungen, die man jetzt auch hierzulande immer mehr fokussiert, auch eben dann für die Global Health, für die globale Gesundheit lernen?

Kampmann: Ja, natürlich, das ist ganz wichtig. Was für mich da eine besondere Rolle spielt, ist, dass wir das nicht nur vom rein medizinischen Standpunkt betrachten, sondern dass Präventionsmaßnahmen auch bei der Bevölkerung ankommen müssen. Das heißt, wir müssen die auch in so einer Form erklären und anbieten können, dass die Leute sich damit identifizieren und nicht einfach nur darauf warten, bis sozusagen das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Und das ist sicherlich auch irgendwo eine globale menschliche Attitüde, dass man sich immer erst um die Probleme kümmert, wenn sie dann wirklich richtig sich zugespitzt haben. Und da müssen wir einfach auch uns anhören, wie solche präventiven Maßnahmen für sie schmackhaft gemacht werden. Ich meine, es ist ja ein bisschen merkwürdig, zum Beispiel, wir wissen ja seit Jahr und Tag, dass Rauchen nun wirklich sehr, sehr schädlich ist, aber es wurde dann eben doch erst nach so und so vielen Jahrzehnten verboten, dafür irgendwie Werbung zu machen usw.

Seltmann: Frau Kampmann, haben Sie auch Pläne für Global Health in Deutschland?

Kampmann: Ja, ganz klar. Denn ein Institut kann dieses ganze Thema gar nicht besetzen. Und wir haben da natürlich auch sehr, sehr starke andere  Organisationen, Zentren in Deutschland, mit denen wir alle an einem Strang ziehen müssen. Denn wir müssen die Erklärung von Global Health einfach auch der Bevölkerung ein bisschen näherbringen. Da geht es nämlich nicht nur um Entwicklungshilfe, das ist ja ein ganz anderer Bereich, sondern wir müssen uns auch darüber verständigen, dass Global Health ein Riesenforschungselement beinhaltet und dass wir dieses Forschungselement aus Deutschland auch mit bedienen können in Partnerschaft mit den Ländern, mit denen wir ja auch schon kooperieren. Dabei ist es wichtig, dass die Agenda nicht nur von unseren deutschen Politikern bestimmt wird. Oder, wenn diese bestimmt wird, dass wir das dann im Dialog mit den Kooperationspartnern in Afrika tun oder in anderen Low Income Settings, dass wir da einen gemeinsamen Nutzen haben, der wiederum dann der gesamten globalen Gesundheit in Deutschland und darüber hinaus dienen kann. Und da würde ich mir sehr wünschen, dass unser Center for Global Health in Berlin an der Charité wirkliche Milestones auch setzen kann und die Politik auch entsprechend informieren kann.

Seltmann: Und möchten Sie auch mit anderen Global Health Centern  in Deutschland zusammenarbeiten?

Kampmann: Absolutely. Es ist ganz wichtig, dass wir eine gemeinsame Strategie entwickeln, wo nicht jeder nur den dünnen Betrag, der für Global Health überhaupt zur Verfügung steht, für sich beanspruchen will, sondern wenn wir wirklich was bewegen wollen auch für die Sichtbarkeit Deutschlands und die Rolle Deutschlands in Global Health, dass wir uns zusammentun müssen und eine gemeinsame Strategie erarbeiten, die wir den Politikern auch erklären können. Sodass wir zu einem Punkt kommen, wo Global Health nicht nur ein Entwicklungsprogramm ist, sondern wirklich auch ein Forschungsprogramm, von dem Deutschland als Partner auch profitieren kann. Und dass wir auch Möglichkeiten schaffen für die nächste Generation der Global-Health-Forscher, die irgendwo in der Welt sein können, die auch Deutschland als Ansprechpartner sehen und Equitable Partnerships, wie ich das so nenne, kreieren können.

Seltmann: Jetzt noch mal zurück zum Anfang unseres Gespräches. Die Pandemie ist vorbei, aber das Virus ist natürlich noch da. Es könnte aber sein, dass auch eines Tages, ohne jetzt zu viel Angst zu schüren, wieder eine neue Pandemie kommt. Wären wir denn dann besser vorbereitet?

Kampmann: Es wäre wirklich schmerzhaft zu denken, dass wir nicht besser vorbereitet sind. Und wir sind besser vorbereitet, was solche Erkenntnisse angeht von Schutz in der Community. Wir sind besser vorbereitet, was angeht die internationale Kooperation um solche Pandemiefälle. Wir sind viel besser vorbereitet für die Impfstoffforschung und -produktion. Wobei sich das natürlich von Erreger zu Erreger ein bisschen verschiebt. Das Coronavirus war da ein relativ einfaches Ziel. Wir sind besser vorbereitet, was internationale regulatorische Aktivitäten angeht. Ich glaube schon, dass wir da besser vorbereitet sind. Wie lange wir diese Erinnerungen gerne auch aktiv halten wollen, das ist jetzt eine Frage des persönlichen Engagements auch von Regierungen und von internationalen Kooperationen. Aber ich glaube schon, dass wir besser vorbereitet sind. Aber wir müssen das Auge da draufhalten, und wir müssen halt unsere internationalen Gesundheitssysteme, einschließlich unsere nationalen Gesundheitsüberwachungsbehörden, auch befähigen, diese Surveillance weiter aktiv zu betreiben.

Seltmann: Dann hoffen wir mal, dass die nächste Pandemie besser vorbereitet ist, dass wir darauf vorbereitet sind. Und Ihnen wünschen wir natürlich alles Gute für Ihre Arbeit an der Charité.

Kampmann: Herzlichen Dank!

Seltmann: Und das war der BIH-Podcast „Aus Forschung wird Gesundheit“ aus dem Berlin Institute of Health in der Charité, dem BIH. Professorin Beate Kampmann erklärte, dass die Corona-Pandemie zwar vorbei ist, aber das Virus nach wie vor in der Gesellschaft zirkuliert. Sie können das Interview auch noch einmal nachlesen auf www.bihealth.org. Falls auch Sie eine Frage zur Gesundheit oder zur Gesundheitsforschung haben, richten Sie sie gerne an podcast@bih-charite.de. Tschüss und bis zum nächsten Mal, sagt Stefanie Seltmann.