Prof. Dr. Sarah Hedtrich
Sarah Hedtrich wurde 2021 als Johanna Quandt Professorin für Translationale Humane Organmodelle an das BIH berufen. Zuvor war sie als Professorin an der University of British Columbia/Kanada tätig. Gemeinsam mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern ist sie von Kanada nach Berlin gezogen.
„Ich bin verheiratet und habe 2 Kinder (3 und 6 Jahre). Vom Hintergrund her bin ich Pharmazeutin, wobei ich auf meinem Weg zur Professur zahlreiche Stationen als Postdoc, Nachwuchsgruppenleiterin und Juniorprofessorin absolviert habe.
Mein Mann und ich sind beide voll berufstätig, haben jedoch den Bonus der flexiblen Arbeitszeitgestaltung, weshalb wir die Balance zwischen Familie und Beruf denke ich sehr gut meistern. Dies ist auch nur möglich, weil mein Mann und ich uns fair in Familien-und Hausarbeiten reinteilen. Leider sieht man noch viel zu oft, dass der Großteil dieser Aufgaben an den Frauen hängenbleibt. Was mich dabei oft irritiert ist die Selbstverständlichkeit, die mit dieser Rollenverteilung einhergeht. Frauen sollten da sehr viel vehementer auf eine gleichberechtigte Aufteilung pochen.
Mein Mann und ich haben von Anfang an oft und offen darüber gesprochen, wie wir uns das Familienleben vorstellen und es war für uns beide klar, dass wir zu gleichen Teilen beitragen wollen. Ich konnte das Angebot in Kanada auch nur wahrnehmen, weil ich einen sehr unterstützenden Mann habe, der diese Entscheidung nicht nur mitgetragen, sondern auch massiv unterstützt hat. Deswegen mein Rat: Augen auf bei der Partnerwahl, denn eine wirkliche Vereinbarkeit von Beruf und Familie kann es nur geben, wenn alle an einem Strang ziehen und nicht der eine sich wichtiger nimmt als der andere.
„Wissenschaft und Familie bedeutet für mich ein Balanceakt. Ich persönlich kann oft schlecht von der Arbeit abschalten. Denkprozesse laufen weiter auf Arbeit wie Daheim, manche Ideen kommen in der Freizeit oder gar im Schlaf. Gleiches gilt aber auch für die Familie, die immer Aufmerksamkeit und zeitliche sowie gedankliche Investitionen fordert. Ich würde das Eine nicht ohne das Andere wollen. Deshalb ist es für mich extrem wichtig beides gut in Einklang zu bringen.
Damit ich ohne Ablenkung und mit vollem Fokus Zeit mit meiner Familie verbringen kann, schaffe ich mir aktiv Freiräume. Für mich ist dabei sehr wirkungsvoll einfach für bestimmte Zeiten keine Emails zu lesen bzw. nicht erreichbar zu sein. Dies hilft insbesondere im Urlaub um wirklich abschalten zu können.
Meine Familienplanung habe ich dabei nie vom Karrierestatus abhängig gemacht. Meine erste Tochter habe ich z.B. während meiner Zeit als befristete Juniorprofessorin (ohne Tenure Track) bekommen. Ich höre immer wieder, dass viele das Kinderkriegen verschieben bis sie eine entfristete Stelle sichern konnten. Für mich war das jedoch nie ein Grund, da ich immer einen Plan B hatte für den Fall, dass es nichts wird mit der Wissenschaft.
Welche Rolle spielt die Familie in Ihrem beruflichen Alltag?
„Meine Familie setzt den Rahmen für meine berufliche Tätigkeit. Angefangen davon wann ich arbeiten kann, was bestimmt ist durch die Wach- und Schlafzeiten meiner Kinder, aber auch durch die Kita- und Schulöffnungszeiten. Es geht weiter bei Dienstreisen, die ich nicht frei planen kann, sondern was immer intensive Abstimmungen mit meinem Mann bedeuten, bzw., auch Verzicht, wenn es nicht mit den Bedürfnissen der Familie vereinbar ist. Die COVID-Zeit war sicherlich wie für alle Familien mit kleinen Kindern eine besondere Herausforderung. Zwei kleine Kinder zu Hause zu betreuen macht es schlicht unmöglich zu arbeiten. Insbesondere in einem Beruf wo man oft Zeit braucht um sich in Sachen einzulesen und diese zu durchdenken. Eine Anekdote aus jüngster Zeit beschreiben meinen Alltag glaube ich ganz gut:
Ich war Anfang Februar mit meiner 3-jährigen Tochter in Isolation, da wir beide COVID-positiv getestet wurden. Mein Mann und meine ältere Tochter waren nicht betroffen und wir konnten uns auch gut voneinander räumlich trennen. Nach 13 Tagen war mein Test endlich negativ und ich war exakt 30 min im Büro bevor ich die Info erhielt, dass meine ältere Tochter positiv auf COVID getestet wurde. Da mein Mann sich bisher noch nicht infiziert hatte, bin ich direkt für weitere 7 Tage in Isolation gegangen, wobei nicht wirklich viel Arbeiten möglich war.“
Welche Rolle spielt die Wissenschaft in Ihrem privaten Familienleben?
„Wissenschaft spielt in meiner Familie eine sehr große Rolle und für mich eine hauptsächlich positive. Zum Beispiel hatten wir als Familie durch meine Tätigkeit die Möglichkeit längere Zeit in Vancouver zu leben, was ein tolles und sehr prägendes Erlebnis für uns alle war. Kanada ist ein sehr diverses und inklusives Land, was einen nachhaltig positiven Effekt auf meine Kinder hatte und sie zu sehr weltoffenen und neugierigen Menschen gemacht hat. Ich höre oft, dass viele zurückschrecken so einen Schritt mit Kindern zu tätigen, und ja, es ist anstrengend und oft nicht einfach, aber es gibt einem persönlich extrem viel.
Meine Kinder lieben es zudem, mit mir ins Labor zu kommen. Ich zeige ihnen dann womit wir arbeiten und sie schauen sich z.B. Zellen im Mikroskop an und stellen viele Fragen. Zudem versuche ich meine Kinder frühzeitig für Wissenschaft zu begeistern. Es gibt tolle Kinderbücher in denen wissenschaftliche Themen lustig und kinderfreundlich vermittelt werden. Ein Lieblingsbuch meiner Kinder ist z.B. das Buch „Nano: The Spectacular Science of the Very (Very) Small“ von Jess Wade. Kann ich nur empfehlen. Zudem ist der Aspekt des Vorbilds für mich sehr wichtig. Ich versuche meinen Mädchen zu vermitteln, dass es sehr wohl möglich ist eine tolle Mama und Wissenschaftlerin zu sein.
Ein kleines Erfolgserlebnis war auch als ich sah, wie sich meine ältere Tochter einen Wissenschaftler vorstellt. Sie hatte eine Frau gemalt, die mir zugegebenermaßen recht ähnlich sah. Es gibt Untersuchungen die zeigen, dass wenn man Kinder bittet Wissenschaftler zu malen, werden fast ausschließlich männliche Personen gezeichnet. Kinder orientieren sich an dem, was sie sehen und dies ist daher ein Symptom der Unterrepräsentation von Frauen in der Wissenschaft.“